Copyworld: Roman (German Edition)
verschluckt er das
Ende des Satzes. Sirrah hatte ihn nachdrücklich auf seine Schweigepflicht
hingewiesen. Unvorstellbar, daß die hier nichts davon wissen, aber sicher ist
sicher. Darum läßt er die Prozedur bereitwillig über sich ergehen. Zum Abschied
klopft ihm der junge Arzt eifrig imaginären Staub von den Schultern, und die
Frau mit dem bleigrauen Zopfgewirk starrt ihn mit einem rätselhaften
Gesichtsausdruck an, den Hyazinth, wüßte er nicht, daß es unmöglich ist,
Faszination nennen würde.
Zu seiner Verwunderung muß er nicht
noch einmal in den Irrgarten hinaus, sondern betritt das Büro des Ersten Exarchen durch eine unscheinbare, jedoch erstaunlich stark gepanzerte Tür, die am
Ende einer vom medizinischen Komplex aus sanft ansteigenden Wendeltreppe liegt
und durch einen Irissensor bedient wird. In Gedankenschnelle tastet der Sensor
das Muster seiner Regenbogenhaut ab und öffnet den Eingang.
Hyazinth betritt einen Raum,
dessen Kälte ihn sogleich frösteln läßt. Hatte er ein prunkvolles Fürstengemach
erwartet, sieht er sich nun getäuscht.
Der Kuppelsaal ist beinahe
vollständig verglast. Aha, deshalb kann man das Licht aus Korunds Zimmer aus
jeder erdenklichen Richtung sehen, denkt Hyazinth. Überall stehen
intellektronische Geräte, beinahe wirkt die Kuppel auf der Spitze des
Kegelturms wie ein Labor, aber der Eindruck von Düsternis und Trostlosigkeit
wird durch den düsteren Schein hervorgerufen, der über allem liegt. Noch nie in
seinem Leben hat Hyazinth die träge wirkenden Schwaden der Roten Wolke so dicht
über sich gesehen, unwillkürlich duckt er sich und tritt in den schützenden
Schatten des Eingangs zurück. Sein Schädel schlägt polternd gegen das bereits
geschlossene Panzerschott.
“Keine Sorge Hyazinth Blume! Das
Glas der Kuppel läßt nur das optische Spektrum des elektromagnetischen
Kontinuums passieren und schirmt alle anderen Strahlen zuverlässig ab. Tritt
näher!” Die Stimme knarrt wie ein vom Wind geschüttelter trockener Baum. Korund
Stein sitzt in einem hochlehnigen Polstersessel hinter einem massiven
Terminalpult. Hyazinth muß abermals ein Gefühl der Enttäuschung niederkämpfen.
Auf Abbildungen wirkt der Exarch groß
und kräftig, sein breites Gesicht mit dem starken Kinn spricht für Energie und
Unbeugsamkeit, und das streng zurückgekämmte volle Haar betont die hoch über
das Gesicht aufsteigende Stirn, unter der ein rätselhaftes Glühen hellgrüner
Augen von eigenartigem Wachsglanz überzogen scheint. Die gebogenen Nase
verleiht den Porträts einen besonderen Zug von Unerschrockenheit, den Hyazinth
immer ganz besonders bewunderte. Und so hatte er den ehemaligen Obersten
Kindschafter bisher auch in Erinnerung.
Bei allen Weisheiten der Lehre!
denkt er mit leisem Erschrecken. Dem Exarchen muß es aber sehr schlecht gehen, kein Wunder, daß so sorgsam über seine
Gesundheit gewacht wird!
Korund Steins Gestalt versinkt in
den Polstern des Sessels, es sieht aus, als sei ein Jüngling auf den Thron
eines sagenhaften Königsrecken geklettert. Auch sein Schädel ist mager, hat
überhaupt nichts von der wuchtigen Erscheinung amtlicher Holographien, durch
das kurzgeschnittene schüttere Haar schimmert die fleckige Kopfhaut, die Nase,
einst in kühnem Schwung der Welt entgegenragend, springt knochig und monströs
hervor. Wie von selbst kommt Hyazinth die Frage nach dem Alter des Ersten Exarchen in den Sinn, doch sein
Gedächtnis, um das ihn viele Mitschüler glühend beneiden, läßt ihn diesmal im
Stich. Er kann sich einfach nicht erinnern, jemals etwas über Korund Steins
Geburtsdatum gehört zu haben. Zweifellos ist der hochverehrte Undsoweiter steinalt,
denkt Hyazinth und muß sogleich ein Kichern unterdrücken, als er sich des
Sakrilegs in seinen Überlegungen und des doppeldeutigen Sinns des Wörtchens
steinalt bewußt wird.
“Tritt näher, fürchte dich
nicht!” Die knorrige Stimme klingt ungeduldig, sie durchfährt Hyazinth trotz
ihrer Gebrechlichkeit siedendheiß.
“Ewige Liebe, Deva; Bewahrer,
Seher und Schöpfer!”
Er spürt, daß seine Ohrmuscheln
feuerrot erstrahlen, als er die Grußformel herunterhaspelt, schafft es aber
ohne Stottern.
“Jaja”, Korund Stein winkt
verdrossen ab und deutet auf eine einfache Sitzgelegenheit vor seinem
Terminalpult. Steifbeinig stolpert Hyazinth durch den Kuppelsaal. Er tritt fest
auf, um mit dem Geräusch der Schritte seinen vermeintlich durch den ganzen
Kegelturm dröhnenden
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