Copyworld: Roman (German Edition)
Opal
hat ihm doch immer gesagt, daß seine Ausbrüche von Selbstbewußtsein etwas
Furchteinflößendes an sich hätten, weil sie regelmäßig zum ungeeigneten
Zeitpunkt erfolgen. Aber diesmal schien er wohl mit der Wahl des Augenblicks
Glück gehabt zu haben. Der junge Arzt lacht plötzlich auf, schlägt ihm auf die
Schulter und sagt: “Nun komm, Liebling der Götter, dann wollen wir dich mal
fein machen für das große Ereignis.” Wieder bedachte ihn die Frau mit einem
warnenden Blick. Hyazinth hat das sehr wohl gemerkt, aber er seufzt nur und
fragt noch einmal im Guten nach dem Zweck der Prozedur.
“Das ist doch so klar wie
reinster Diamant, Hyazinth”, die Stimme des Arztes gefällt Hyazinth nicht, sie
hat einen dumpfen, muffigen Klang. Hyazinth grinst unentschlossen, und der andere
scheint dies als ein Signal der Verbrüderungswilligkeit mißzuverstehen. Forsch
fährt er fort: “Leben und Gesundheit unseres hochverehrten Ersten Exarchen und Ehrenmärtyrer Korund sind das kostbarste Gut unserer Gesellschaft.
Es gibt ein altes Wort: Macht macht einsam! Ich würde es etwas modifizieren:
Höchste Befähigung verpflichtet zur Einsamkeit. Es darf dem Zufall – von
Vorsatz will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden! – nicht ermöglicht
werden, den Bestand unserer Gesellschaft, den Neubeginn der irdischen
Zivilisation, die Idee von der Großen Umkehr in Gestalt der DTEA, zu gefährden.
Auch dir wird aufgefallen sein, daß sich unser hochverehrter Undsoweiter…”
Hyazinth schluckt unwillkürlich angesichts solcher Respektlosigkeit, “… nie in
der Öffentlichkeit präsentiert. Natürlich liegt das in erster Linie daran, daß
er dem Leitmotiv aller Weisheit und Erhabenheit folgt: Wenn du gebraucht
wirst…” Hyazinth nickt unwillkürlich. Wird man nicht gebraucht, zieht man sich
zurück. Der Märtyrer steht mit niemandem im Wettstreit.
so stellt der weise sein selbst
zurück
und ist den anderen voran…
er tut sich nicht hervor
so fällt ihm der Vorrang von
selbst zu
“… wahrt nicht sein Selbst, und
es bleibt ihm bewahrt, denn ohne Eigensucht vollendet er das Eigene”, spricht
Hyazinth leise vor sich hin, plötzlich aber verstummt er angstvoll, denn ihm
wird bewußt, daß es die Gedanken des unbekannt en Meisters, aber nicht die des
Kong-Qiu waren.
“Sehr richtig, Hyazinth Blume, du
bist ein wahrer Kenner der Grundsätze unserer Lehre!” pflichtet ihm der Arzt
bei. Hyazinth will seinen Ohren nicht trauen und bezähmt sich mit einiger
Anstrengung. Beinahe hätte er den Mann korrigiert: Das sind nicht die Worte der
Lehre! Aber sein Instinkt ist schneller als sein ehrlicher Sinn, und er
schweigt.
“… und deshalb gibt es noch einen
Grund für unseren hochverehrten Undsoweiter, die Qual der Einsamkeit zu unser
aller Wohl zu dulden: Die Sorge um uns und alle Menschen dieser Welt, denn was
wären wir ohne unseren heißgeliebten Undsoweiter, was würde aus uns, wenn es
einem einzigen gefährlichen Bakterium gelänge, Korund Steins Leben zu
gefährden? Oder wenn ein Mensch von schwächlicher psychischer Konstitution beim
Anblick unseres edlen Undsoweiter den Verstand verlöre vor Begeisterung… nicht
auszudenken!”
Hyazinth erinnert sich sogleich
an den Vorfall in dem seltsamen Irrgarten – also dient auch diese Barriere aus
gläsernen Wänden einzig und allein der Sicherheit des Exarchen ? Es fällt ihm schwer, den Sinn all dieser
Vorkehrungen einzusehen, trotz der Erklärung des Arztes. Ganz bestimmt ist doch
auch Korund Stein von der Gesundheitswache erfaßt, sollte das nicht genügen?
Oder handelt es sich hier um eine separate Gesundheitswache, ganz allein für
den Ersten Exarchen? Nun ja, der Aufwand ist wohl gerechtfertigt, aber trotzdem wirkt das alles grotesk, und
Hyazinth begreift allmählich, was ihn daran stört: Angst! All das verbreitet
eine Atmosphäre der Angst vor irgendeiner geheimnisvollen Bedrohung.
Gerade die hervorgekehrte
Schnoddrigkeit des jungen Arztes wirkt auf ihn plötzlich wie schlecht
verborgene Nervosität, als versuche der Mann, eine tiefe Unruhe zu überspielen,
als fürchte er wirklich, ein Besucher könnte den Ersten Exarchen allein mit einer ruckhaften Bewegung zu Tode
erschrecken.
“Gut, das sehe ich alles ein”,
sagt Hyazinth, “aber ein bißchen übertrieben ist es wohl, oder? Schließlich
werde ich doch genauso wie jeder Märtyrer…” Von der Gesundheitswache
kontrolliert, wollte er fortfahren, aber in letzter Sekunde
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