Copyworld: Roman (German Edition)
Derek
hingegen weiß nichts von Beryll Stein, er kämpft gegen Rorik. Rorik existiert
außerhalb meines Bewußtseins, das mußt du begreifen: Zwar abhängig von meiner
Psyche und dem, was Copyworld daraus gestaltet,
aber außerhalb. Ich war wirklich nur Beobachter, allerdings steckte ich im
Körper einer existenten Persönlichkeit, und alles, was ich zu dir sagte, hast
nur du gehört oder es wurde von Copyworld sofort in die Szene eingebaut.” Du belügst mich, Oberster Projektant!
dachte Hyazinth finster und hielt sich den brummenden Schädel. Da gibt es
etwas, was du mir verschweigst, und zwar die Ursachen, die mich angeblich
nichts angehen. Da gibt es so viele Ungereimtheiten zwischen dem was du mir
erzählst und der makabren Vorführung… Doch er schwieg und nickte nur
scheinheilig. Immer wieder überliefen ihn eisige Schauder, denn das Bild der
auf ihn zu rasenden Sichelklinge stand immer noch plastisch vor ihm. Schmerzen
fühlte er zwar nur über der rechten Augenbraue, wo eine dicke Beule gewachsen
war – aber die Erinnerung an das furchtbare Gefühl, mit dem die Axt seine
Halswirbel durchtrennte, wollte nicht weichen.
“… na gut, es war dein erstes
Schopenhauerwelt-Erlebnis. Die Aufregung und Gedankenlosigkeit sind verzeihbar”,
sagte Beryll schließlich väterlich und schlug Hyazinth lachend auf die
Schultern. Dabei schielte er belustigt auf die dicke, bläulich verfärbte
Schwellung über dem Auge.
“Hast du genug gesehen, oder
willst du einmal etwas ganz anderes erleben, eine wirklich ungefährliche, aber
ungemein… nun, wie soll ich sagen… ungemein anregende Welt?”
Ich bin absolut bedient! dachte
Hyazinth zuerst, aber seine Neugier war stärker.
“Du wirst viel Spaß daran haben!”
Beryll grinste breit. “Da hat sich einer eine Spielwiese geschaffen, auf der
man sich nach Herzenslust austoben kann. Keine Sorge, ich werde es so
einrichten, daß uns der Dig nicht über den Weg laufen kann – es wird also
keinerlei Pannen geben.”
Aha! dachte Hyazinth. Dann war
also Derek doch der Dig von Seemark und das ganze eine echte Panne. Schau an,
Beryll kann lügen, daß sich die Balken biegen, aber er ist ein ganz miserabler
Lügner, findet sich im Wirrwarr seiner Erfindungen selbst nicht mehr zurecht
und verrät sich schließlich. Imposant. Mal sehen, was er jetzt zu bieten hat.
Hyazinth erhob sich und nickte wortlos.
“Gehen wir. Diesmal ist diese Tür
an der Reihe.” Als Beryll dies sagte, wurde Hyazinth erst klar, daß sie sich
immer noch in der Überbewußtseinssphäre von Copyworld befanden, sein Körper demzufolge noch in der
Perzeptorzelle lag.
Beryll stieß eine Tür auf, die
normalerweise zu einem Büroraum führen mußte, denn auf dem Namensschild stand:
“Stellvertr. Unt.-Projekt. Nullsiebenfünfdreidrei”.
Grelles Sonnenlicht blendete
Hyazinth, der sofort den Blick von den kleinen Federwolken abwandte, die zart
über das lichtgrüne Himmelsgewölbe zogen, und überrascht die Augen schloß. Zur
Zeit gab es in Weltenstein nicht den Anblick der Sonnenscheibe zu bewundern –
da wirbelten rotbraune Wolkenmassen über der Stadt, und nur ab und an wies ein
heller, bisweilen rötlicher Fleck den Ort, an dem das Zentralgestirn zu suchen
war.
Als er die Augen wieder öffnete,
sagte er nur verblüfft: “Oh!”
Sie standen in einem blühenden
Tal, inmitten fichtenbestandener Berge gelegen, aus denen hier und da
verwitterte Felswände ragten. Das Grün des Nadelwaldes zog sich in Wellen
dunkler und heller Färbung über die Bergflanken, von Schneisen durchzogen, die
wie Tränenspuren im Gesicht der Natur wirkten. Im Gras zu seinen Füßen, dessen
fette Halme, vom sanften Wind bewegt, seine Waden umschmeichelten, leuchteten
die Blüten wunderbarer Blumen, schöner als ein orientalischer Teppich,
tausendmal schöner als die funkelnde Pracht des Steinparks.
Hyazinth kniete nieder und
streichelte zärtlich einen besonders schönen Blütenkelch.
“Blumen!” rief er entzückt.
“Lauter Blumen! Oh, Beryll, das ist wirklich eine schöne Schopenhauerwelt!” Als
Beryll nicht antwortete, sah er auf und sagte zum zweiten Mal: “Oh!”
Der Oberste Projektant stand
splitternackt auf der Wiese, und aus seinem Unterleib ragte ein mächtig
geschwollenes Ungetüm. Sogleich mußte Hyazinth an Jade denken, deren
Gesinnungswandel ihm nun hinreichend begründet schien.
Und als er den leichten Windhauch
angenehm frisch an seinem Gesäß spürte, wurde ihm deutlich, daß auch er
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