Copyworld: Roman (German Edition)
zu
Hyazinths Worten.
“Ihr seid verrückt!” knurrt
Rhomega.
“Ja.” Beide antworten wie aus
einem Munde.
Düster ragen die Bunkerkolosse
von Van Zyl in den Nachthimmel, zylindrische Monolithe unterschiedlicher Höhe,
insgesamt etwa zwei Dutzend. Wie ein Ensemble aus riesigen Bauklötzen. Dunkel,
leblos, schier unbezwingbar. Sie stehen auf einem künstlichen Plateau, das sich
mehr als mannshoch über den Wüstensand erhebt, an einigen Stellen aber über
angewehte Dünen erreichbar ist.
Die vierzehn Kämpfer seiner
Gruppe haben sich hinter Rhomega in den Windschatten einer Sicheldüne geduckt
und warten den Angriff Tremakuts ab. Nur das schaurige Heulen des Klagelieds
Gottes tönt durch die Nacht.
Etwa fünfhundert Schritt weiter
nördlich haben Rhomega und zwei Spezialisten eine winzige Kernladung zur
Zündung vorbereitet. Die Detonation des ultraschweren Transurans wird einen
tiefen Trichter in den Wüstenboden graben und die Wand des darunterliegenden
Tunnels aufreißen. Die freigesetzte Radioaktivität kann ihnen nicht schaden:
Alle haben mindestens einen Liter “Gamma-Suppe” geschluckt, wie Rhomega diese
Schwefel-Phosphor-Verbindung nennt. Trotzdem hat Hyazinth ein seltsames Gefühl.
Immerzu muß er an die Rote Wolke denken, den Inbegriff aller Bedrohung. Ob sie
doch durch einen lange zurückliegenden Krieg mit atomaren
Vernichtungsmechanismen entstanden ist? Noch vor einem Jahr hätte er jeden
ausgelacht, der behauptet hätte, auf der Erde gäbe es Waffen. Und nun weiß er,
daß es sie gibt, und er weiß auch, daß einige von ihnen durchaus geeignet sind,
die gesamte Welt zu zerstören. Dagegen ist die kleine Transuranladung nicht
mehr als der Furz einer satten Wollbauchechse.
Tauphi schmiegt sich an ihn.
Beide schweigen sie seit geraumer Zeit. Ein Blick – eine Berührung – das sagt
viel mehr als Worte. Nun aber flüstert sie doch.
“Wann geht es endlich los?”
“Wir dürfen erst sprengen, wenn
sie sich –”, Hyazinth deutet vage auf die Festungsbauten von Van Zyl, “ – voll
und ganz auf den Angriff Tremakuts konzentrieren. Nur so haben wir eine Chance,
daß unser Plan unentdeckt bleibt.”
Er wühlt in seinen Taschen und
holt schließlich die Betakapsel hervor.
“Nicht jetzt!” Tauphi greift nach
seiner Hand.
“Keine Sorge, Liebes. Ich will
sie nur griffbereit haben. Wir werden das Zeug brauchen, um so schnell wie
möglich ins Innere der Festung zu gelangen. Oder meinst du, da unten verkehrt
eine Labyrinthbahn?”
“Kann man nicht wissen…” erwidert
Tauphi nachdenklich.
“Schön wärs. Jede Sekunde, die
wir schneller sind, kann einem von Tremakuts Leuten das Leben retten.”
“Oder einen von uns das Leben
kosten.”
Rhomega kommt gebückt zu ihnen
geschlichen, seine Augen glühen vor Erregung.
“Ihr beiden geht am Schluß der
Gruppe! Keine Diskussion, Hyazinth! Tauphis Aufgabe ist nicht der Kampf,
sondern Transport und Handhabung des Introspekt-Decoders. Und du bist mir
persönlich dafür verantwortlich, daß… äh, daß dem Gerät nichts widerfährt… Paß
gut auf!”
Sie wechseln einen festen
Händedruck.
“Und du Schwesterchen gib auch
ein wenig acht auf ihn. Er besitzt noch längst nicht die Härte, die man für
solche Aufgaben braucht.”
Rhomega sagt es sehr leise,
trotzdem hat Hyazinth jedes Wort verstanden. Tauphi nickt unmerklich.
Da zuckt ein weißgelber Blitz
flatternd und sprühend durch die Wüste, begleitet von einem knatternden
Donnerschlag. Für Sekundenbruchteile ist alles von einem in den Augen
schmerzenden Weiß, der Himmel, der Sand, die Menschen und die Bunkertürme von
Van Zyl.
“Tremakut hat die erste Miene
hochgejagt!” brüllt Rhomega, seine nächsten Worte werden vom einsetzenden
Getöse verschlungen. Blitz auf Blitz springt aus dem Boden vor dem
Festungsplateau. Hyazinth erkennt die dünnen Strahlen der Plasmaentladungen,
die nach den im Sand verborgenen Sprengkörpern tasten.
Eine riesige Staubwolke wirbelt
auf, verschwindet gedankenschnell in der Implosion einer Schwereladung, und
plötzlich fehlt ein Stück des Plateaus, so groß wie die Tanzfläche des
Sigmapalastes.
Obgleich Hyazinth in den
Simulationskammern der unterirdischen Festungsanlagen um Szingold mehr als einmal
Kampfhandlungen trainierte – jetzt steht er fassungslos und starrt mit
glitzernden Augen auf den losgebrochenen Vernichtungssturm. Das Donnern und
Krachen lastet als schwerer Druck auf seinen Trommelfellen, immer wieder muß er
schlucken.
Von
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