Copyworld: Roman (German Edition)
anzukommen.”
Hyazinth nickt erleichtert. Ja,
Rutila will Protektorgeneral werden. Davon träumt sie, seit er sie kennt. Aber
gleich fällt ihm Holunders bissiger Kommentar vom vergangenen Morgen ein.
“Wenn sie bei mir bleibt… ich
meine für immer.” Er weiß nicht recht, wie er es sagen soll, und so spricht er
aus, was er denkt: “Sie ist zwar eine Stein, aber gilt das noch, wenn sie sich
mit einem Blume verbindet?”
Sirrah bleibt abrupt stehen und
packt ihn bei den Armen. “Sag so etwas nie wieder!” herrscht sie ihn an. “Du
verdirbst dir noch alles mit deiner Naivität!” Dann blickt sie wie
geistesabwesend durch ihn hindurch und sagt hastig: “Ich verstehe Korund nicht,
warum zögert er, weshalb bekennt er sich nicht zur Wahrheit. Du sollst und
wirst es doch erfahren, warum nicht heute…”
Sie schüttelt ihn sachte, aber
diese Geste gilt nicht ihm, das spürt er sofort. Was sagt sie da vom Ersten
Exarchen?
Dann wird ihr Blick starr und sie
preßt hervor: “Hast du dich nie gefragt, weshalb ich Oberster
Gesundheitswächter geworden bin – wo ich es doch verdient hätte, zum
niedrigsten Dienst verurteilt zu werden? Ist dir vor acht Jahren nicht einiges
sehr merkwürdig erschienen?” Dann plötzlich lehnt sie sich an ihn und murmelt:
“Nichts weißt du, überhaupt nichts! Du ahnst nicht, was vor diesen acht Jahren
wirklich geschehen ist, daß ich mit meinem…” Ein Ruck läßt sie erstarren als
habe eine unsichtbare Hand sie geohrfeigt.
Hyazinth ist völlig verwirrt.
Doch, er hat sich manche Frage gestellt. Wie nannte ihn Sirrah vorhin, Liebling
der Götter? Genau das ist es. So recht bewußt geworden ist es ihm nie, weil es
zu den Selbstverständlichkeiten seines Lebens gehörte, immerzu Glück zu haben,
wo andere mit der Unbarmherzigkeit ihres Schicksals haderten. Aber nie verließ
ihn in all den Jahren das dunkle Gefühl, es gäbe da eine unsichtbare
beschützende Hand über ihm, die alle Unbill fernhält und ihm die Wege ebnet.
Sirrah hakt sich bei ihm ein und
zieht ihn weiter. Jetzt erst bemerkt er, daß er sie fast um Haupteslänge
überragt. Mit zwölf konnte er ihr gerade so ins Gesicht schauen, ohne sich den
Hals zu verrenken.
“Weißt du, was ein Zirkon ist?”
fragt sie mit einem rätselhaften Unterton.
“Nein, nicht genau. Wir sind in
Mineralogie erst bei den Phosphaten”, antwortet er verwundert.
“Tetragonal, optisch positives
Inselsilikat, in der Lichtbrechung dem Diamant am nächsten. Hat die höchste
Dichte aller Edelsteine, ist aber sehr spröde und läßt sich nur sehr schwer
bearbeiten.”
“Du kennst dich aber gut aus!”
Seine Verwunderung nimmt zu und gleichzeitig seine Verwirrung. Was soll das
alles, Zirkone interessieren ihn im Moment am allerwenigsten.
Sirrah lächelt geheimnisvoll und
ein wenig wehmütig.
“Als wir dir deinen Namen gaben,
konnten wir noch nicht wissen, daß sich in dir genau die Eigenschaften dieses
Edelsteins entwickeln werden. Vor allem die Sprödigkeit… mit jedem groben Griff
platzt ein Stück von dir ab, ohne daß es wirklich jemandem gelänge, dir eine
Form aufzuzwingen, die nicht aus deiner Natur wächst…”
“Aber ich heiße doch nicht
Zirkon”, sagt Hyazinth lachend. “Und außerdem: Ich bin nicht spröde! Das
müßtest du doch wissen. Wie Wachs bin ich manchmal, wenn jemandes Hände
geschickt genug sind, mir Gestalt zu geben…” Er hat das nur so dahin gesagt und dachte dabei an Opal, als dessen
Schöpfung er sich im Scherz oft bezeichnete. Allerdings – auch Opal bemerkte
einmal, man könne Hyazinth nur helfen, der zu werden, der er im Innersten ist.
Alles andere wäre Sünde.
“Weit draußen in der
Unendlichkeit gibt es eine Sonne im Sternhaufen M 3, sie ist das hellste und
farbenprächtigste Licht in diesem gewaltigen Gebilde. Deshalb wohl nannten
unsere Ahnen diesen Stern Hyazinth…” sagt Sirrah in eben jenem Ton, in dem sie
auch von Baal und Anat erzählte.
“Aha, da bin ich wohl der Star
unter den Blumen, hahaha”, antwortet Hyazinth und merkt sogleich, daß er wohl
etwas weniger dümmliches hätte sagen sollen, denn Sirrahs Finger krampfen sich
in seinen Oberarm, daß es richtig schmerzt.
“Ich liebe den Zirkon wie keinen
anderen Edelstein der Welt”, fährt sie fort, und ihr Atem geht eine Kleinigkeit
schneller als zuvor. “Ich liebe sein Feuer, das dem des Diamanten kaum
nachsteht, und seine Widerspenstigkeit, seine Ehrlichkeit, die ihn eher
zerspringen läßt, als sich der groben Hand
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