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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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Erneut breitete sich Schweigen in der Kommandozentrale aus. Der Gyrokompass zeigte an, dass man nur noch zehn Meter von der berechneten Abschussposition entfernt war. Langsam stieg die U-1 Jerusalem nach oben.
    Kein Geräusch in der Nähe. Sie waren allein hier draußen. Wieder tauchten auf allen Schirmen die digitalen Ziffern auf, erneut begann der Countdown. Die flackernden Zehntel waren nicht zu erkennen, aber die Sekunden tickten unausweichlich. Für Ibrahim war es unbegreiflich, dass er keine Nervosität mehr verspürte.

7
    Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik war Condoleezza Rice alles andere als eine Anfängerin. Sie hatte schon zu Zeiten von Bush Senior im Nationalen Sicherheitsrat gesessen, damals als Expertin für russische Marschflugkörper und Atomwaffen.
    Viele große Elefanten hatte sie kommen und gehen sehen, und vor allem hatte sie gelernt, im rauen Sportjargon voller Football- und Baseballausdrücke mitzureden, der in militärischen Krisensituationen plötzlich den Ton bestimmte. Im Laufe des vergan­genen Jahres hatte sie die beiden schlimmsten Säbelrassler Dick und Rummy ein wenig unter Kontrolle bekommen. Auch wenn man der Ehrlichkeit halber zugeben musste, dass sie ihre Schwänze seit dem Elend im Irak eingezogen hatten. Es verging kein Tag, an dem man ihnen nicht ihre Prophezeiungen eines »Spaziergangs nach Bagdad« oder eines »Slamdunk«, eines bombensicheren Treffers beim Baseball, um die Ohren schlug. Auch das Kunststückchen, einen seiner besten Freunde bei der Vogeljagd mit der Schrotflinte anzuschießen, war Dick nicht gut bekommen. Noch immer quälte ihn der Hohn, der in allen Talkshows des Landes über ihm ausgeschüttet wurde. Den schmerzhaftesten Treffer hatte vermutlich David Letterman mit den Worten gelandet: »Wir haben zwar nicht bin Laden gefasst, aber immerhin einen achtundsiebzigjährigen Rechtsanwalt er­wischt.«
    Die zunehmende Schwäche von Dick und Rummy war ihre Stärke, und das sei, sie meinte das vollkommen ernst, auch besser für die Vereinigten Staaten. Auch ohne zwei Pavianmännchen, die sich ständig vor den Fernsehkameras auf die Brust trommelten, war es schwer genug, sich um die Außenpolitik der meistgefürchteten und meistgehassten Nation der Welt zu kümmern.
    Als sie an diesem Morgen wie immer um vier Uhr fünfundvierzig aufstand, um den Tag in ihrer Privatwohnung im Watergatekomplex mit Lauf- und Krafttraining zu beginnen, hatte sie nicht die geringste Ahnung, dass dieser Tag mit einem gewaltigen Rückfall in die Pavianpolitik enden würde. Im Irak war alles wie gehabt. Rummys ständiges Schmieden von Kriegs­plänen gegen den Iran hatte eher therapeutische Zwecke. So bald würden sie nicht Wirklichkeit werden. Genauso wenig wie ein Atomangriff.
    Bis zum Mittagessen war der Tag reine Routine, in den ersten Stunden brütete sie über den Akten, dann hatte sie ein Treffen mit dem Präsidenten von Malawi, den sie ordentlich zurechtweisen musste, und anschließend Mittagessen und Rede bei der jährlichen Wohltätigkeitsversammlung des Jüdischen Nationalfonds, wo man die üblichen Worte über Jom Kippur und Versöhnung verlieren musste. Wie immer würde sie sagen, dass Israel jederzeit mit der Unterstützung der USA rechnen könne, dass man Israel niemals im Stich lassen würde, dass aber die Siedlungspolitik ein gewisses Problem darstelle. Allerdings ein Problem, das Israel selbstverständlich intern lösen müsse. Ungefähr so.
    Um kurz nach halb elf begann sie ihre Rede und kam bis zum ersten Beifall, der in ihrer Rede als Pause markiert war. Da betrat einer ihrer Mitarbeiter ohne Umschweife die Rednertribüne und flüsterte ihr zu, der Nationale Sicherheitsrat habe eine sofortige Krisensitzung anberaumt. Es gehe um etwas äußerst Wichtiges.
    Sie entschuldigte sich bei ihrem unruhig murmelnden Publikum, brachte ihre Rede schnell zum Abschluss und erklärte, der Nationale Sicherheitsrat müsse auf der Stelle zusammentreten, weil man eine Krise am Hals habe.
    Hoffentlich ist es wirklich eine ordentliche Krise, sonst haben die mich vollkommen lächerlich gemacht. Mich einfach so vom Rednerpult wegzuschleifen, dachte sie, als sie vor Wut kochend im Fond der schwarzen Limousine saß, die sie inmitten eines Schwarms von heulenden Polizeiautos, einer Secret-Service-Eskorte und Polizeimotorrädern zum Weißen Haus chauffierte.
    Die Sache war tatsächlich wichtig. Ihr Publikum, das sich anlässlich von Jom Kippur versammelt hatte, würde ohne Frage

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