Coq 11
alltäglichen Aktivitäten an Bord, die unterbrochen worden waren, durften wieder aufgenommen werden.
Carl verließ die Zentrale und rief den U-Boot-Matrosen Sergej Kowalin über Lautsprecher zurück zum Mittagessen in die Offiziersmesse.
»Wo waren wir stehen geblieben, Sergej Petrowitsch?«, fragte er gutmütig, als sie mit zwei neuen Tabletts auf ihren alten Plätzen saßen.
»Fantastisches Manöver haben wir da gemacht, Admiral!«, antwortete der junge Seemann, der offensichtlich zutiefst beeindruckt war.
»Wo waren Sie denn während des Manövers, Sergej Petrowitsch?«, fragte Carl verwundert.
»Im Torpedoraum, auf meinem Posten, Admiral!«
»Gibt es da unten auch einen Plasmaschirm?«, fragte Carl und begriff zu spät, dass er sich diese Frage besser verkniffen hätte.
»Ja, Admiral! Und perfekten Stereoklang. Den Kommandanten hören wir aus dem linken Lautsprecher, und Sie, Herr Admiral, hören wir aus dem rechten. Und die Bilder sind gestochen scharf!«
»In der Tat, unsere englischen Gentlemen haben eine beeindruckende Technik eingeführt. Wie gesagt, wo waren wir stehen geblieben?«
Vor der Übung hatte Kowalin erzählt, was mit der zweiten Besatzung der Kursk passiert war, zu der er genau wie Kommandant Petrow und viele andere gehört hatte, die jetzt auf der K 601 arbeiteten. Einige hatten es nicht gut verkraftet. Schließlich war es reines Glück gewesen, dass sie nicht an Bord der Kursk waren, als sie versenkt wurde.
Manche wurden gut damit fertig, dass sie zufällig überlebt hatten, einige begannen zu grübeln. Anfänglich wurden sie auf andere U-Boote verteilt. Er selbst landete auf der K 119 Woronets, einer Schwester der Kursk mit Heimathafen Seweromorsk, und arbeitete auch dort im Torpedoraum. Eine Zeit lang war alles wie vorher. Doch nach einer Weile zeigte sich, dass auf allen ehemaligen Besatzungsmitgliedern der Kursk eine Art Fluch zu lasten schien. Die Gruppe wurde auf die Nordmeerflotte und die Pazifikflotte verteilt. Er selbst wurde nach Wladiwostok geschickt und sollte auf der K 186 Omsk dienen. Technisch gesehen war alles gleich, ein Torpedoraum ist ein Torpedoraum, ob Woronets oder Omsk, Arbeit ist Arbeit. Aber die neuen Kollegen und Vorgesetzten begegneten den Leuten von der Kursk mit Misstrauen und munkelten, sie brächten Unglück. Hinzu kam, dass von allen strengen Verboten, die auf einem Atom-U-Boot galten, nichts so streng verboten war, wie über die Sache mit der USS Memphis zu reden. Selbst der jüngste Matrose im Torpedoraum wusste, dass man diese Wahrheit mit keinem Flüsterton erwähnen durfte.
Vor diesem Hintergrund überraschte es nicht, dass Sergej Petrowitsch beim Beschreiben der Arbeitsbedingungen im Torpedoraum der K 601 ins Schwärmen geriet. Bessere Schlafplätze, saubere Bettwäsche, perfekte Ordnung und eine funktionierende Klimaanlage. Da der Schiffsarzt an Bord der K 186 Omsk der Ansicht gewesen war, die Klimaanlage würde Erkältungen und andere ansteckende Krankheiten verbreiten, war sie meistens abgeschaltet gewesen. Und so war es im engen Torpedoraum, je nach Wassertiefe und Breitengrad, eiskalt oder brüllheiß gewesen. Die K 601 war dagegen ein Luxushotel.
Es war Carls neuntes Vorstellungsgespräch, und er kannte den Refrain allmählich auswendig. Die Flachbildschirme, auf denen man nicht nur jederzeit die eigene Position erkennen und die Ereignisse verfolgen, sondern sich in seiner Freizeit auch unendlich viele DVDs angucken konnte, anstatt sich auf ein Dutzend Videokassetten beschränken zu müssen, die man bald auswendig kannte, riefen allgemein Begeisterung hervor. Die meist englischsprachigen Filme ohne Untertitel waren zwar nicht leicht zu verstehen, aber zumindest diejenigen, die von U-Booten handelten, kapierte man auf Anhieb.
Für das Wohlbefinden war also gesorgt, und sogar das Essen war besser. Die neuen Uniformen und Dienstgrade wirkten zwar immer noch ungewohnt, aber das gehörte schließlich zum internationalen Stil an Bord und war eher spannend als störend. Das Beste an dem neuen Stil war im Übrigen, dass die Jüngeren keine Prügel mehr von den Älteren bezogen, was auf russischen Atom-U-Booten normalerweise an der Tagesordnung war.
Bis hierhin unterschieden sich die Ansichten des Gefreiten kaum von denen der anderen Russen, stellte Carl fest und erkundigte sich nach dem familiären Hintergrund des jungen Mannes. Die meisten russischen U-Boot-Seeleute stammten aus Städten, die irgendwie mit der sowjetischen oder der neuen
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