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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Carl war zwar etwas größer und blonder als der Durchschnitt, als Amerikaner oder Israeli würde er jedoch ohne weiteres durchgehen.
    Als das Taxi Jerusalem verließ und die steil ansteigende Hauptstraße nach Tel Aviv hinaufkeuchte, hatte Carl eine gute Sicht nach hinten. Nein, er war immer noch sicher, daß niemand ihn verfolgte. Falls Shulamit tatsächlich die Absicht hatte, den Sicherheitsdienst ihres eigenen Landes zu hintergehen, falls sie selbst nicht überwacht, abgehört und beschattet wurde, falls das Ganze nichts war, was sie aus unbegreiflichen Gründen mit einer der mehr oder weniger kollegialen Organisationen Israels zusammen plante, wenn sich all dies zu einem Puzzle zusammensetzen ließ, würde wenigstens er allein und unbewacht zu dem verabredeten Treffen erscheinen.
    Als er bei dem Bushalteplatz kurz vor der Abzweigung nach Qiriayt Gat im Südwesten ankam, gab er dem Fahrer Anweisung, weiterzufahren, so daß er die wenigen Wartenden schnell in Augenschein nehmen konnte. Carl ließ das Taxi einen Kilometer weiter halten, bezahlte und blieb stehen, bis das Taxi gewendet hatte und verschwunden war. Dann ging er zur Haltestelle zurück; es hätte unnötiges Aufsehen erregt, mit einem Taxi aus der Stadt an der Haltestelle zu erscheinen.
    Er wartete eine Viertelstunde. In dieser Zeit kamen zwei Busse vorbei, beide auf dem Weg nach Tel Aviv. Nur er selbst und eine ältere Frau mit zwei Kindern standen am Halteplatz, als der richtige Bus erschien. Jetzt erst spürte Carl, wie seine Anspannung und Nervosität wuchsen.
    Nachdem er den Bus bestiegen hatte, sah er sich nicht um. Er hatte sich entschlossen, ihr die Initiative zu überlassen. Dann konnte er immer noch schnell entscheiden, wie er sich verhalten sollte. Es war nicht sicher, ob sie noch immer die Absicht hatte, ihn als Liebe ihres Lebens auszugeben. Es stand nicht einmal fest, daß sie ihn wiedererkennen wollte. Nachdem er gezahlt hatte und in dem zu zwei Dritteln besetzten Bus nach hinten ging, konnte er schnell feststellen, daß sie noch nicht zugestiegen war. Er war nicht allzu enttäuscht. Das war eine Möglichkeit, mit der er aus mehreren Gründen gerechnet hatte. Jetzt hieß es für ihn einfach nur nach Eilat weiterzufahren. Wenn unterwegs nichts passierte, mußte er sie wieder anrufen. Er wählte einen der leeren Plätze am Ende des Busses in der Nähe eines älteren Palästinensers, der zwei Käfige mit lebenden Hühnern bei sich hatte. Carl lehnte sich zurück und schlief ruhig ein, da er alles richtig gemacht hatte und das Geschehen bis auf weiteres nicht beeinflussen konnte.
    Als er aufwachte, hatte er das Gefühl, ein paar Stunden geschlafen zu haben. Der Bus hielt an einer größeren Haltestelle, an der mehr Leben und Bewegung herrschten als an den Haltestellen, bei denen er geschlafen haben mußte. Der Palästinenser mit den Hühnerkäfigen wollte unter den Flüchen seiner Sitznachbarn und dem Gegacker der Hühner den Bus verlassen wie die meisten anderen, die offensichtlich Araber waren. Als Carl aus dem Fenster blickte, entdeckte er auf einem Schild in drei Sprachen, daß sie sich in Beersheba befanden. Das nächste, was er sah, war Shulamit Hanegbi in der Schlange wartender Fahrgäste. Sie trug eine grüne Jacke, hatte eine Uzi über der linken Schulter und eine große grüne Militärtasche in der Hand.
    Carl schloß die Augen und stellte sich schlafend. So mußte sie ihn »wecken« und den Gesprächston angeben, ohne daß er gezwungen war, ihr zu eifrig oder zu gleichgültig zuzuwinken.
    Hinter geschlossenen Augenlidern versuchte er sich zu vergegenwärtigen - es war jetzt zu spät, sich von neuem zu vergewissern -, wie die anderen Fahrgäste in der Schlange ausgesehen hatten. Er entschied sich, nichts Beunruhigendes gesehen zu haben, und gab sich Mühe, so schlafend auszusehen wie noch vor einer halben Stunde.
    Carl spürte, wie Shulamit zu ihm trat und sacht seine Reisetasche wegnahm.
    Aber statt ihr und sein Gepäck auf die Gepäckablage über den Sitzen zu legen, schlang sie mit einer heftigen Bewegung die Arme um ihn, schüttelte ihn und küßte ihn hart und mit gespielter Leidenschaft, als er die Augen aufschlug. Er dachte, so muß es im Film sein, ein Kuß, der von außen völlig richtig aussieht, aber ganz aus der Nähe, von Angesicht zu Angesicht, nur Theater ist. Als sie sich behutsam trennten und er sie fragend anblickte, legte sie ihm einen Zeigefinger auf den Mund.
    »Oh, endlich, Charlie«, sagte sie weder laut noch

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