Coq Rouge
dem Weg über einige schwedische freiberufliche Fotografen die Nachricht ausgestreut, ein amerikanischer Vietnam-Wehrdienstverweigerer sei von Saigon geflohen und habe sich in Beirut der Al Fatah angeschlossen. Bei der Teilnahme an einem palästinensischen Überfall vom Süden des Libanon aus sei er als einziger Überlebender gefaßt worden. Im weiteren Verlauf sollte der Amerikaner im israelischen Ramleh-Gefängnis gesessen haben, aber die Israelis hätten ihn nicht vor Gericht stellen wollen, da er amerikanischer Staatsbürger sei. Statt dessen wollten sie ihn in irgendein europäisches Land ausweisen, wo er keine Gefahr lief, in die USA zurückgeschickt zu werden. Dort wäre er nämlich aufgeflogen.
Eine Kopie des von dem Israeli benutzten Reisedokuments lag jetzt vor Appeltoft auf dem Tisch. Es war ein gewöhnlicher israelischer Passierschein mit französischem und hebräischem Text, Nummer 101375. Der richtige Name des Mannes war Ben Tevel, und sein amerikanischer Name lautete Richard Holmes aus einer Kleinstadt in Indiana.
Es war den Israelis gelungen, die Geschichte des amerikanischen Palästina-Helden unter dänischen Palästina-Aktivisten zu verbreiten, und folglich hatte die eigentliche Einschleusung in Dänemark begonnen.
Der israelische Agent »flüchtete« zunächst nach Dänemark und suchte dort Schutz bei den dänischen Palästina-Aktivisten. Die fanden wie erwartet heraus, daß es allzu riskant sei, einen amerikanischen Wehrdienstverweigerer, einen Deserteur, in einem NATO-Land zu behalten.
Darum hatten sie sich an ihre schwedischen Genossen in Stockholm gewandt, die Ankunft des Amerikaners avisiert und die Schweden gebeten, sich um ihn zu kümmern. Soweit war die Aktion perfekt gelaufen.
Dann platzte alles im Verlauf von ein paar Stunden. Es war nämlich Erik Ponti, der den Mann auf dem Stockholmer Hauptbahnhof abholte.
Die Fortsetzung der Geschichte fand sich auszugsweise im schriftlichen Bericht des Israelis. Ponti hatte sich erst mit dem Israeli hingesetzt und ein Verhör eingeleitet, wann, wo, wie und weshalb, welches Gefängnis und so weiter. Das hatten die Israelis auch vorhergesehen, und ihr Mann war kein Amateur.
Es war nicht klar, ob Ponti schon zu diesem Zeitpunkt Verdacht geschöpft hatte. Nach etwa einer Stunde nahm er den Israeli jedoch in eine größere Wohnung in der Nähe von Norra Bantorget mit, wo eine Art Wohngemeinschaft linken Zuschnitts lebte. Zunächst hatte alles normal ausgesehen. Dann hatte Ponti jedoch einen unbekannten Palästinenser gebeten, das Verhör in einem kleineren Zimmer fortzusetzen. Dabei war es fast ausschließlich um die Zustände im Ramleh-Gefängnis gegangen, welche Häftlinge in welchem Korridor gesessen hätten, wie es dort aussehe, und so weiter. Nach Auffassung des Israelis konnte es in seiner Geschichte insofern kaum Fehler geben.
Danach hatten der Palästinenser und Ponti flüsternd ein paar Worte gewechselt, und anschließend hatte Ponti gesagt, es sei Zeit zu gehen, und hatte den israelischen Agenten zu einem Taxistand direkt unterhalb der Wohnung gebracht. Während sie auf einen Wagen warteten, erklärte Ponti ruhig, aber mit einer Stimme, die keinen Einwand duldete, daß wenn dieser Infiltrationsversuch in Beirut erfolgt wäre, die Taxifahrt mit dem Tod des Israelis geendet hätte. Ponti bat ihn, seine Auftraggeber zu grüßen und ihnen zu sagen, der nächste Infiltrant werde eher verschwinden als mit freundlichen Grüßen zurückzukehren. Kurz bevor Ponti den Israeli verließ, hatte er noch auf eine Waffe in der Innentasche seines Jacketts gedeutet und gesagt, der Mann habe zehn Stunden Zeit, aus Stockholm zu verschwinden, sonst werde man sich das Angebot freien Abzugs und unversehrter Rückkehr vielleicht noch mal überlegen.
Der israelische Nachrichtendienstmann hatte die Drohung ernst genommen und sofort die Rettungsleine gezogen; er war folglich zur nächsten Telefonzelle gegangen und hatte die Telefonnummer angerufen, bei der er sich nur im äußersten Notfall melden durfte.
Die Israelis hatten bei den Schweden Polizeischutz für den Mann bis zum nächsten Morgen verlangt und ihn anschließend nach Israel zurückgeflogen.
Drei Jahre später trat Ponti bei einem ähnlich ernsten Zwischenfall in Erscheinung. Die Israelis hatten einen der Kuriere des Schwarzen September aufgespürt, Kamal Benamane, der sich nach Stockholm begeben hatte, um zusammen mit einem weiteren der gesuchtesten palästinensischen Feinde Israels, Ali Hassan
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