Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
etwas gehört oder gesehen hatte.
    Carl hatte sich bei seiner Replik abgewandt und beschäftigte sich mit einer der Waffen, die er zum drittenmal untersuchte.
    »Wenn dieser Scheißkerl seine 44er Magnum hochgekriegt hätte, wäre er gestorben. Das schlimmste dabei wäre gewesen, daß Näslund dann wohl seinen Mörder bekommen hätte. Oder was meinst du?«
    Carl drehte sich um und sah Appeltoft an.
    Das war eine sehr unangenehme Frage. Nicht so sehr, weil sie darauf anspielte, daß der tatsächliche Chef der schwedischen Sicherheitspolizei skrupellos war, sondern vor allem aus dem einfachen Grund, daß sie jetzt keine vernünftige Spur mehr hatten, um den Mörder zu finden.
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte Appeltoft leise, »und für mich ist es am schlimmsten, daß ich dir recht geben muß. Es ist unheimlich, wie schnell du bestimmte Dinge lernst.«
    »Aber wir drei wollen doch den Mörder finden?«
    »Ja, das wollen wir. Aber können wir’s auch?«
    »Wo sollen wir jetzt suchen? Unter diesen Palästinensern, die sie oben in Uppsala geschnappt haben? Hat das einen Sinn?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Das ist nur Theater, obwohl man es ja nie genau wissen kann.«
    »Sollten die aber aus Versehen auf etwas stoßen, erfahren wir es doch?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Wenn wir die also erst mal außer acht lassen, was haben wir dann noch?«
    Anneliese Ryden durfte man als erschöpfte Quelle betrachten. Es war zwar unerklärlich, warum Axel Folkesson diese Telefonnummer notiert hatte, aber bei näherem Hinsehen hätte es sich ja auch um einen Tip von einer völlig anderen Person handeln können, die geglaubt hatte, sie oder ihr Freund wüßten etwas. Und das hätte eine falsche Vermutung sein können.
    Von den drei anderen Schweden schien nur einer interessant zu sein, und zwar genau dieser Hedlund, der offiziell des »unerlaubten Waffenbesitzes« verdächtigt wurde. Dabei ging es vor allem um diese besonders interessante Munition in seinem Besitz, zudem aber darum, daß er für die Munition ein Magazin besessen hatte, das heißt ein Magazin einer AK 47. Denn das war eine richtige Terroristenwaffe. War dieses Magazin vielleicht der vergessene Rest eines größeren Arsenals, das vorher weggeschafft worden war?
    Das war natürlich eine Möglichkeit. Dann sollte man sich die bei Hedlund beschlagnahmten Dinge wirklich näher ansehen, denn Vernehmungsergebnisse waren aus der Ecke offensichtlich nicht zu erwarten: Hedlund hatte sich als einziger der vier Festgenommenen nicht einschüchtern lassen.
    Er hatte kurz und arrogant mitgeteilt, er gedenke auf Fragen nicht zu antworten und akzeptiere den ihm zugewiesenen Rechtsanwalt nicht; er wolle sich einen eigenen Pflichtverteidiger aussuchen. Dann hatte er mit einem der bekanntesten Anwälte des Landes zugeschlagen. Der fragliche Star-Anwalt hatte sich wie ein geölter Blitz eingefunden, das Mandat akzeptiert und mitgeteilt, sein Mandant werde nur in Gegenwart eines Anwalts auf Fragen antworten, ferner sei er, der Anwalt, wegen eines wichtigen anderen Falls momentan verhindert und könne erst eineinhalb Tage später einer Vernehmung beiwohnen.
    »Also«, sagte Appeltoft, »fürs erste müssen wir an diesen Hedlund anders herankommen. Hast du einen Vorschlag?«
    »Ja«, erwiderte Carl, »ich will mir mal seine Bücher ansehen, vielleicht finde ich heraus, was für ein Typ er ist. Du übernimmst die Briefe und das andere Zeug, und dann setzen wir uns wieder zusammen.«
    »Aber erst morgen früh, ja?« sagte Appeltoft müde. Er fühlte sich wie ein sehr alter Sicherheitsbeamter.
    »Natürlich«, sagte sein entschieden jüngerer Kollege, falls er überhaupt ein Kollege war, aber es schien jedenfalls so zu sein, »natürlich, ich hab nichts dagegen. Denn im Augenblick kapiere ich nichts mehr, und dann ist es auch Zeit, schlafen zu gehen.«
    Das Telefon läutete. Appeltoft nahm ab und antwortete mit einem kurzen Grunzen. Dann sagte er nur noch jawohl und legte auf.
    »Das war Näslund«, sagte er. »Sherlock Holmes will dich sofort sehen, er macht offenbar auch Überstunden. Wir sehen uns morgen?«
    Sie nickten einander zu und trennten sich.
    Sektionschef Henrik P. Näslund war strahlender Laune. Alles, das heißt fast alles, war wie geschmiert gelaufen oder gar über alle Erwartung gut. Die vier Linksextremisten waren aus rechtlich einwandfreien Gründen vorläufig festgenommen. Die Ergreifung der sieben Palästinenser würde dem Terroristen-Gesetz zufolge zu drei oder vier

Weitere Kostenlose Bücher