Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin
Erwartungen in ihrem Herzen verzehrte, brannte schnell aus, und endlich sank sie auf einem Baumstumpf an einem Bächlein nieder. Das sanfte Plätschern öffnete die Schleusen, und endlich stürzten die Tränen hervor, kamen in heftigen Schluchzern und spülten die jahrelange Anspannung fort, den eigenen und fremden Ansprüchen zu genügen.
Als die Schluchzer abebbten, lag sie auf dem Gras und sah zu den winzigen neuen Blättchen der Bäume hinauf. Der Himmel nahm eine dunkelblaue Färbung an, die Sonne begann zu sinken.
Sie wusste nicht, wo sie war, doch im Augenblick war es ohne Belang, dass sie sich im Wald verlaufen hatte. Was zählte das schon, gemessen an dem Gefühl der inneren Verlorenheit.
Wenn sie keine Nonne war, was war sie dann? Wenn Gott sie nicht wollte, wer dann? Das, so konnte sie nicht umhin zu denken, war der Schlüssel zu allem. Gott hatte ihre Abbitte nicht angenommen … bestrafte sie für den Mangel an Standfestigkeit und Reinheit des Herzens. Man hatte also schon seit geraumer Zeit gewusst, dass sie für das Kloster nicht geeignet sei. Aber wenn sie Peril of Whitmore nicht gestattet hätte, ein wenig von ihrer Hingabe an ihre Berufung zu stehlen, hätte sie dann heimkehren und das Gelübde ablegen können?
Ihre Gedanken flogen zum Earl, der gezwungen war, ihre Strafe zu teilen. Er hatte das Kloster um eine Braut von höchster Tugend ersucht, und jetzt eine Frau zugeteilt bekommen, der es so sehr an Gehorsam, Achtung und Demut gebrach, dass man sie für ungeeignet erachtete, ihr Leben dem Dienst an Gott zu widmen. Sie konnte sich seine Reaktion darauf wohl ausmalen.
Er hatte sich ihrem Rat und ihrer Weisung unterworfen, da er sie für eine Nonne hielt, eine würdige Vertreterin des Klosters – und somit auch Gottes – in seinem Leben. Was würde er denken, wenn er erfuhr, dass sie eigentlich nur gottesfürchtig war?
Sie wollte den Zorn und die Enttäuschung nie in seinen Augen sehen.
Als die Schatten länger wurden, hörte sie, dass sich Menschen näherten. Sie erstarrte. Hinter einem Baum versteckt, machte sie Reiter aus und wich zurück, in der Annahme, der Earl lasse sie suchen und sei ungehalten über ihr Verschwinden. Sie schlüpfte ins belaubte Unterholz und versuchte, möglichst wenig Geräusche zu machen. Doch dann knackte ein Zweig unter ihren Füßen, was man weithin hören konnte.
Sie hielt sich den Schleier unter dem Kinn zusammen, um das Weiß ihres Gebendes zu verdecken, drehte sich um und rannte los. Die Stimmen und das Hufgetrappel kamen immer näher. Als die Reiter sie fast eingeholt hatten, packte jemand sie von hinten und zog sie in einen großen hohlen Baum. Eine Hand legte sich fest auf ihren Mund, und obwohl sie sich wehrte, nützte ihr das in dem engen Spalt wenig.
»Pst!« raunte ihr eine Stimme warnend zu. »Das ist nicht die Art Männer, von der sich eine Frau im Wald fangen lassen sollte!«
12. KAPITEL
Etwas in der Stimme veranlasste Eloise, sich ganz ruhig zu verhalten. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie in dem Licht, das durch die Öffnung in den Baum hereinfiel, besser erkennen, wer sie da gefangen hatte. Langes silbrig graues Haar umfloss eine offensichtlich weibliche Gestalt.
Sie verharrten einen Augenblick im hohlen Baum und lauschten, warteten, dass die Reiter abzögen. Als die Hufschläge verklungen waren, ließ die ältere Frau Eloises Mund los und trat aus dem Baum hinaus.
»Pst!« Sie legte einen Finger vor den Mund, als Eloise in die Abenddämmerung hinaustrat. »Die sind bestimmt nicht weit weg. Kommt mit.«
Eloise zögerte etwas, doch dann raffte sie ihre Röcke und schlich geduckt hinter der vorwärts huschenden Gestalt her. Ihre Retterin bewegte sich mit einer für ihr Alter erstaunlichen Geschmeidigkeit und Grazie. Bald darauf kamen sie zu einer kleinen Lichtung, wo die alte Frau auf Eloise wartete.
»Hier sind wir vor ihnen sicher. So weit dringen sie nicht in diesen Wald vor. Hier spukt es nämlich.«
»Tatsächlich?« Eloise sah sich argwöhnisch um. »Wer spukt denn hier?«
»Ich natürlich. Wenigstens glauben sie das und bleiben auf Abstand. Mir kann es nur recht sein, dass sie mich für einen Geist halten.« Sie strich sich das Haar glatt und band es im Nacken mit einem Bändchen zusammen. »Nun, wenigstens ist mein Haar trocken.«
»Euer Haar?« Verblüfft ging Eloise jetzt neben ihr her.
»Ich hatte im Bach gebadet und ging mit offenem Haar zurück, um es trocknen zu lassen. Aber eigentlich
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