Cora - MyLady 334 - Clay, Merilyn - Miss Tessa aus Amerika
sagenden Blick zugeworfen, mit dem das Thema abgeschlossen war.
Tessa schreckte aus ihren Gedanken auf, als die Kutsche ruckartig anfuhr und Lady Penwyck sich an sie wandte.
»Habe ich erwähnt, dass die Montgomerys soeben nach London zurückgekehrt sind?« fragte sie munter. »Ihre Tochter ist etwa in deinem Alter. Deirdre ist ein wunderbares Mädchen, aber ihre Mutter ist ziemlich verstört, weil sie…«, hier senkte sie die Stimme, »… letzte Saison nicht besonders gut ankam. Grace, also Mrs. Montgomery, wünscht sich so sehr, dass Deirdre einen Titel erheiratet.
Wenn du mich fragst, ich glaube, sie hat ihr Ziel zu hoch gesteckt. Die Montgomerys sind nicht von Adel, weißt du.
Grace ist eine meiner liebsten Freundinnen. So effizient!
Sie raubt mir fast den Atem! Jedenfalls…«, hier wurde Lady Penwycks Ton verschwörerisch, »… geht das Gerücht, dass Deirdre einen Verehrer hat. Niemand weiß, wer es ist, aber da sie die Identität des jungen Mannes zu verheimlichen sucht, kann man davon ausgehen, dass ihre Eltern nicht erfreut wären.«
Tessa, die in Gedanken noch bei den pompösen Bemerkungen des Earls war, fand es sehr schwer, sich auf Lady Penwycks Geplauder zu konzentrieren.
»Außerdem finde ich es höchste Zeit, dass Harrison heiratet«, fuhr Lady Penwyck fort, »aber ich würde es nicht wagen, ihm ein Ultimatum zu stellen. Harrison wird schon die Richtige wählen, wenn er einmal soweit ist. Habe ich dir erzählt, dass Stephen, mein jüngster, Vater wird?«
»Ja, du hast es erwähnt«, murmelte Tessa. Im Stillen fügte sie hinzu: Mindestens ein Dutzend Mal. »Wie aufregend.«
Lady Penwyck legte die Hand an die Brust. »Ich freue mich so darauf, meinen Enkel im Arm zu halten.« Sie streckte die Hand aus und berührte Tessa am Knie. »Ich kann dir versichern, etwas Schöneres gibt es nicht.
Jedenfalls bin ich sicher, dass du Deirdre mögen wirst. Sie ist dir recht ähnlich, mein Liebes. Ihr seid beide ein bisschen ungewöhnlich.«
Tessa war über die scharfsichtige Bemerkung etwas erstaunt, hatte aber keine Lust, weiter nachzufragen. Sie hoffte nur, dass Tante Alice mit Deirdre Montgomery Recht hatte. Sie brauchte wirklich eine Freundin.
Zahllose Besuche später wurden Tessa und Lady Penwyck schließlich in ein luxuriös ausgestattetes rotes Backsteinhaus am Rand von London geführt. Die kreisförmige Auffahrt mündete in eine riesige Marmortreppe, die wiederum zu einem Säulenvorbau hinaufführte, der um das ganze Haus herumzureichen schien. Das großartige Anwesen beeindruckte Tessa zutiefst.
Als sie sich dann in einem riesigen, mit kostbaren Teppichen ausgelegten Salon niedergelassen hatten, entdeckte Tessa zu ihrer Freude, dass sie sowohl Mrs. Montgomery als auch deren Tochter Deirdre mochte. Das freundliche Wesen der älteren Frau erinnerte sie an ihre Mutter, und Deirdre, die etwa so alt wie sie selbst war und weiche braune Locken und lebhafte braune Augen hatte, wirkte sehr natürlich. Tessa fand sie nicht im Mindesten eingebildet oder von ihrer eigenen Wichtigkeit überzeugt, wie das bei so vielen jungen Damen der Fall war, denen sie vorgestellt worden war.
Nachdem der Butler ein imposantes Silberservice aufgetragen hatte, wurde den vier Damen Limonade, Törtchen und Kekse serviert. Tessa hatte kaum einen Schluck aus ihrem hohen Glas genommen, als Lady Penwyck sich schon in blumigen Schilderungen erging. Tessa war überaus erleichtert, als Deirdre sich zu ihr herüberlehnte und ihr zuflüsterte: »Wollen wir die Limonade im Garten trinken? Ich hasse Klatschgeschichten!« Ihre Worte und das Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht nahmen Tessa sehr für sie ein.
»Sehr gern!« erwiderte sie leise.
Die Mädchen entschuldigten sich rasch, und Tessa folgte ihrer neuen Freundin beglückt nach draußen in einen Pavillon, wo sie sich auf einer gepolsterten Bank niederlie
ßen.
»Wie schön es hier ist«, meinte Tessa begeistert und sah sich in dem gepflegten Garten um. Es war kühl und klar und roch nach frischer Erde. »Es erinnert mich fast ein wenig an mein Zuhause in Amerika«, fügte sie leise hinzu und gab sich Mühe, den unerwarteten Anflug von Heimweh zu unterdrücken.
»Leben Sie auch auf dem Land?«
Tessa nickte. Rasch wechselte sie das Thema. »London gefällt mir sehr gut.«
»Vermutlich ist England ganz anders als Amerika«, bemerkte Deirdre. »Die Menschen dort sollen sehr viel…
freier sein als hier.«
Tessa biss sich auf die Lippen, um die Gefühle
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