Cora - MyLady 334 - Clay, Merilyn - Miss Tessa aus Amerika
zurückzudrängen, die plötzlich in ihr aufzusteigen drohten.
»Hier scheint es oft so, als bliebe einem nichts anderes übrig, als sich anzupassen«, fügte Deirdre seufzend hinzu.
Tessa nickte, immer noch um Beherrschung ringend. »Ich muss zugeben, dass ich genug habe von Tee und…«
Verblüfft hielt sie inne, als Deirdre in fröhliches Gelächter ausbrach.
»Wusste ich doch, dass Sie genauso empfinden wie ich!«
rief sie aus. »Ich verabscheue Teegesellschaften! Ich weigere mich, meine Nachmittage damit zu vergeuden, steif in einem Salon zu sitzen, eine Tasse Tee nach der anderen zu trinken und mir wieder und wieder dieselben langweiligen Skandalgeschichten anhören zu müssen. Und wenn ich jedes Aprikosentörtchen äße, das man mir serviert, wäre ich so fett wie der Prinzregent!«
Tessa empfand eine so ungeheure Erleichterung, dass sie ebenfalls laut herauslachte. Wie herrlich! »Mir geht es da wie Ihnen! England gefällt mir wirklich gut, es ist ja meine wahre Heimat, aber es ist nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe.«
»Ich freue mich darauf, verheiratet zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen«, sagte Deirdre. »Wenn ich erst einmal mein eigenes Heim habe, plane ich, jede Woche einen Salon abzuhalten und nur gebildete Leute einzuladen, mit denen man über Literatur und wirklich wichtige Themen debattieren kann.«
Deirdres Worte klangen wie Musik in Tessas Ohren.
Endlich hatte sie eine verwandte Seele getroffen! »Lady Penwyck erwähnte, dass Sie verlobt sind.«
»Das nicht gerade – er ist nicht die Art Gentleman, die meine Eltern für mich ausgesucht hätten.«
»Erzählen Sie mir von ihm«, drängte Tessa.
Deirdres braune Augen leuchteten auf. Sie setzte ihr Glas auf einem lackierten Tischchen ab. »Er heißt Jeffrey Randall und hat keinen Titel. Er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann«, erklärte sie stolz.
»Wie um alles in der Welt haben Sie ihn denn kennen gelernt?« fragte Tessa, die über Deirdres Mut staunte, sich dem Wunsch ihrer Eltern zu widersetzen. »Und wie gelingt es Ihnen, ihn ohne Wissen Ihrer Eltern zu treffen?«
Während der nächsten Viertelstunde berichtete Deirdre alles über ihren jungen Mann: Ihr Vater, der heruntergekommene Landgüter aufkaufte, wieder herrichtete und anschließend verkaufte, hatte Mr. Jeffrey Randall engagiert, um seinen immensen Landbesitz zu verwalten. Da ihr Vater dabei einen Gutteil seiner Zeit damit zubrachte, im Land herumzureisen und geeignete Anwesen aufzuspüren, hatte Deirdre die Aufgabe übernommen, Mr. Randall allwöchentlich zu schreiben, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Im Verlauf der vielen Briefe, die sie ausgetauscht hatten, waren sie Freunde geworden, und als sie sich im vergangenen Jahr in London kennen gelernt hatten, war aus der Freundschaft schnell Liebe geworden.
»Und Ihre Eltern wissen nichts davon?« staunte Tessa.
Deirdre schüttelte den Kopf, dass die braunen Locken flogen. »Sie mögen Jeffrey ziemlich gern und vertrauen ihm rückhaltlos. Aber sie wissen ja auch noch nicht, dass er es ist, den ich liebe.« Tessa fand dieses Drama überaus spannend.
»Heute Abend kommt Jeffrey zum Essen«, fuhr Deirdre fort. »Er und Vater werden die meiste Zeit im Arbeitszimmer sitzen, aber wenn meine Eltern sich zurückgezogen haben und Jeffrey gegangen ist… das heißt, wenn sie glauben, dass er gegangen ist…« Sie lächelte spitzbübisch.
»Dann werden Sie sich hier im Garten treffen!«
Deirdre blinzelte fröhlich. »Ich bin ja so froh, dass ich Sie getroffen habe! Ich habe mich so nach einer Freundin gesehnt, der ich mich anvertrauen kann.«
Tessa atmete aufgeregt durch. Auch sie hatte sich nach einer Freundin gesehnt. »Ich habe auch etwas, das ich unbedingt loswerden möchte«, begann sie.
»Erzählen Sie!« rief Deirdre aus, deren Wangen sich vor Freude röteten.
Binnen kürzester Zeit kam die ganze Geschichte aus Tessa herausgesprudelt. Sie erzählte von ihrem Wunsch, im Parlament eine Reform anzuregen, davon, wie sie heimlich William Cobbetts Zeitschrift gelesen und darin von
der
Wiederaufnahme
der
Hampden-Club-
Debattierabende erfahren hatte und wie sehr sie sich danach sehnte, an einer solchen Zusammenkunft teilzunehmen.
»Abgesehen von den wenigen Flugblättern, die ich am Tage meiner Ankunft im Hyde Park verteilte, habe ich meine Schriften noch niemandem gezeigt. Ich bin sehr niedergeschlagen. Ich habe mir so gewünscht, etwas beitragen zu können.« Sie seufzte entmutigt.
Deirdre drückte
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