Cora - MyLady 334 - Clay, Merilyn - Miss Tessa aus Amerika
Empörung brachten sie dazu, den Mann vor ihr heftig anzugreifen. »Aber Sie mögen mich nicht, was?«
fauchte sie. »Sie wollen, dass ich so bin, wie eine Frau zu sein hat: süß und sanft und nachgiebig!«
Wieder kehrte Schweigen ein. »Das habe ich auch nicht gesagt, Miss Darby.«
»Aber Sie denken es«, zischte sie, unfähig, sich oder ihren Zorn zu beherrschen.
»Nein, das denke ich nicht. Ich denke«, fuhr er erstaunlich gelassen fort, »dass ich Ihr Verhalten zwar manchmal empörend und ärgerlich finde, ich Sie aber nicht ändern kann. Daher will ich es auch nicht länger versuchen. Sie sind… einzigartig, Miss Darby. Und im Großen und Ganzen… habe ich nichts einzuwenden.«
Tessa sog scharf den Atem ein.
Er hatte nichts einzuwenden?
So sehr sie auch nachdachte, dagegen war einfach nichts zu sagen.
Der heutige Abend war voller Überraschungen gewesen, deren größte eindeutig das unerwartete Eingeständnis des Earls war.
17. KAPITEL
»Heute Nachmittag habe ich keine Sitzung, Miss Darby«, verkündete Lord Penwyck am nächsten Morgen beim Frühstück. »Ich dachte, vielleicht hätten Sie Lust, Lord Elgins Marmorskulpturen zu besichtigen. Sie sind im Antikensaal des Britischen Museums ausgestellt.«
»Was für eine wunderbare Idee!« rief die Mutter des Earls aus.
Tessa sah den Earl ein wenig misstrauisch an. Einen gemeinsamen Ausflug hatte er noch nie vorgeschlagen.
»Ich danke Ihnen, Sir«, murmelte sie, »dazu hätte ich große Lust.«
Nachdem sie sich für zwei Uhr verabredet hatten, verließ Lord Penwyck das Haus. Auf dem Weg zu seiner Ausschusssitzung dachte er über die Ereignisse des vergangenen Abends nach. Es stand nicht zu befürchten, dass die vornehme Gesellschaft von Miss Darbys Eskapade Wind bekommen könnte: Die Randalls würden gewiss nichts verraten und auch Ashburn nicht, von dem er überhaupt erst erfahren hatte, dass die Randalls an der Versammlung teilnehmen wollten.
Obwohl er überzeugt davon war, dass Miss Darby das gewalttätige Ende der Veranstaltung im »Hog’s Ear«
maßlos enttäuscht hatte, erwartete er nicht, dass sie ihre Sache deswegen aufgab. Zweifellos würde sie nach einer anderen Versammlung Ausschau halten, vielleicht an einem weniger anstößigen Treffpunkt. Ihr unglückseliger Hang zum Eigensinn musste im Keim erstickt werden –
nicht auszudenken, in welchen Skandal die junge Dame sonst als Nächstes geraten würde.
Daher hatte Penwyck den Entschluss gefasst, die dickköpfige junge Dame im Auge zu behalten und sie mit anspruchsvollen und interessanten Exkursionen abzulenken.
Außerdem war eine derartige Einladung schon lange überfällig. Und schließlich gab es noch einen dritten Grund, warum sie etwas gemeinsam unternehmen sollten.
Es war sein glühendster Wunsch.
Tessa, die in ihrem Zimmer war und sich für den Nachmittag umkleidete, beschloss, Lord Penwycks veränderte Einstellung ihr gegenüber nicht weiter zu hinterfragen, sondern dem Schicksal zu danken, das ihr eine strenge Strafpredigt erspart hatte, und ansonsten den Nachmittag zu genießen.
Sie war tatsächlich enttäuscht über das fatale Ende der Veranstaltung gewesen, nahm jedoch an, dass man ihr nun, da Lord Penwyck ihre politischen Ambitionen liberaler beurteilte, gestatten würde, andere derartige Versammlungen zu besuchen. Vielleicht nicht gerade in einer gewöhnlichen Schenke, aber Mr. Randall hatte letzten Abend erwähnt, dass sich die Debattierclubs auch in Gemeindesälen und ähnlich ehrbaren Orten trafen. Sie würde Deirdre bitten, sie zu benachrichtigen, wenn das nächste Treffen anstand.
Dann widmete sie sich der Frage, was sie am Nachmittag anziehen sollte. Tessa hatte gerade den Kleiderschrank aus Kirschholz geöffnet, als es leise an die Tür klopfte.
Lady Penwyck betrat den Raum, in der Hand eine hübsche Hutschachtel aus kaschierter Pappe. »Bitte entschuldige, dass ich hier so hereinplatze, aber ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe bei der Wahl deiner Kleider.«
»Oh.« Tessa konnte ihr Erstaunen nicht verbergen.
Neugierig blickte sie auf die Hutschachtel.
Lady Penwyck setzte die Schachtel ab und ging zum Schrank. »Lass mal sehen.« Sie zog ein schmales blaues Chintzkleid mit schwarzen Knöpfen und mehreren Reihen schwarzer Borten heraus und legte es aufs Bett. »Das hier steht dir besonders gut«, sagte sie zu Tessa. »Ich habe mir erlaubt, ein kleines Geschenk für dich zu bestellen. Soeben wurde es geliefert.«
Sie öffnete die Schachtel und holte
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