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Coraline

Coraline

Titel: Coraline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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sie hielt. »Ich glaube, ich war einmal ein Junge.« Und die Umrisse strahlten jetzt ein wenig heller in die Finsternis der Kammer hinter dem Spiegel.
    »Was ist mit euch passiert?«, fragte Coraline. »Wie seid ihr hierhergekommen?«
    »Sie hat uns hier zurückgelassen«, sagte eine der Stimmen. »Sie hat unsere Herzen und Seelen gestohlen und unser Leben geraubt und sie hat uns hierhergebracht und uns in der Dunkelheit vergessen.«
    »Ihr Ärmsten«, sagte Coraline. »Wie lange seid ihr schon da?«
    »So lange schon«, sagte eine Stimme.
    »Ja. Eine Zeitspanne, die sich gar nicht ermessen lässt«, sagte eine andere Stimme.
    »Ich bin durch die Tür in der Spülküche gegangen«, sagte die Stimme der Gestalt, die glaubte, einmal ein Junge gewesen zu sein, »und stellte fest, dass ich wieder im Salon war. Aber dort wartete sie auf mich. Sie sagte mir, sie wäre meine andere Mama, aber meine echte Mama habe ich nie mehr wiedergesehen.«
    »Flieh!«, sagte die allererste Stimme – ein Mädchen, wie Coraline vermutete. »Flieh, solange du noch Luft in der Lunge hast und Blut in deinen Adern und Wärme im Herzen. Flieh, solange du noch deinen Geist und deine Seele hast.«
    »Ich laufe auf gar keinen Fall weg«, sagte Coraline.
    »Sie hat meine Eltern. Die will ich holen; deshalb bin ich noch mal hergekommen.«
    »Ach, aber sie wird dich hierbehalten, während die Tage zu Staub zerfallen und das Laub von den Bäumen fällt und die Jahre vergehen, eins nach dem anderen, wie das Ticken einer Uhr.«
    »Nein«, sagte Coraline. »Das wird sie nicht tun.«
    In der Kammer hinter dem Spiegel herrschte Schweigen.
    »Gesetzt den Fall«, sagte dann eine Stimme aus der Dunkelheit, »dass du deine Mama und deinen Papa aus der Gewalt der alten Vettel zurückholen kannst, dann kannst du vielleicht auch unsere Seelen befreien.«
    »Hat sie euch die denn genommen?«, fragte Coraline entsetzt.
    »Ja. Und versteckt.«
    »Deshalb konnten wir hier auch nicht weg, als wir gestorben sind. Sie hat uns hierbehalten und uns ausgesaugt, sich von uns ernährt, sodass von uns nichts geblieben ist, nur noch Schlangenhäute und Spinnenhülsen. Suche unsere geheimen Herzen, junge Herrin.«
    »Und was wird aus euch, wenn ich sie finde?«, fragte Coraline.
    Die Stimmen schwiegen.
    »Und was wird sie mit mir machen?«, fragte sie.
    Die fahlen Gestalten begannen zu pulsieren. Coraline konnte sich gut vorstellen, dass sie nur noch ein Ab klatsch von etwas Vergangenem waren, wie das Leuchten, das einem von einem hellen Licht in den Augen bleibt, nachdem das Licht schon verloschen ist.
    »Es tut nicht weh«, flüsterte ein zartes Stimmchen.
    »Sie wird dir dein Leben nehmen und alles, was du bist und was dir etwas bedeutet, und sie wird dir nichts lassen als Nebel und Dunst. Sie wird dir alle Freude rauben. Und eines Tages wachst du auf und hast kein Herz und keine Seele mehr. Dann bist du eine leere Hülse, nichts als ein Hauch, ein Ding, nichts weiter als ein Traum beim Erwachen, eine Erinnerung an etwas Vergessenes.«
    »Hohl«, flüsterte die dritte Stimme. »Hohl, hohl, hohl, hohl, hohl.«
    »Du musst fliehen«, sagte eine schwache Stimme mit einem Seufzer.
    »Das glaub ich nicht«, sagte Coraline. »Ich hab’s mit dem Weglaufen schon probiert, aber das hat nicht geklappt. Sie hat einfach meine Eltern genommen. Könnt ihr mir sagen, wie ich aus dieser Kammer rauskomme?«
    »Wir würden es dir sagen, wenn wir’s wüssten.«
    »Die armen Dinger«, sagte Coraline vor sich hin.
    Sie setzte sich. Sie zog ihren Pullover aus, rollte ihn zusammen und steckte ihn sich als Kissen unter den Kopf.
    »Sie wird mich nicht ewig hier drinlassen«, sagte Coraline. »Sie hat mich zu sich geholt, um mit mir zu spie len. Spiele und Herausforderungen, hat der Kater gesagt. Hier im Dunkeln stelle ich keine große Herausforderung für sie dar.« Sie versuchte, es sich bequem zu machen, wand sich hin und her und machte allerhand Verrenkungen, um in den engen Raum hinter dem Spiegel zu passen.
    Ihr knurrte der Magen. Sie aß ihren letzten Apfel und nahm nur ganz kleine Happen, damit er möglichst lange vorhielt. Als sie ihn aufgegessen hatte, war sie immer noch hungrig.
    Dann kam ihr eine Idee und sie flüsterte: »Könnt ihr drei nicht einfach mitkommen, wenn sie mich herauslässt?«
    »Das würden wir von Herzen gerne tun«, seufzten sie mit ihren kaum vorhandenen Stimmchen. »Aber sie hat unsere Herzen in ihrer Gewalt. Jetzt gehören wir zum Dunkel und der Leere. Im Licht

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