Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
einen Augenblick schien
auch er die Gewißheit zu suchen, daß es kein Traum war. »Ich hätte dich vor
langer Zeit schon heiraten sollen«, sagte er heiser. »Vor langer, langer Zeit.
Kannst du mir verzeihen, Livie? Willst du mich heiraten — heute noch?«
»Ja, Asa. O ja!«
Asas Freude und Erleichterung waren
so groß, daß er wieder zu weinen begann, und es störte ihn nicht im geringsten,
daß Livies Krankenschwester gerührt zusah. Sollte die ganze Welt ihn sehen —
einen gebrochenen Mann, den nur eine einzige Frau heilen konnte.
Tess war müde, und ihre Knie zitterten
noch von der schamlosen, verzehrenden Leidenschaft der Nacht. Die Sonne war
schon golden am Horizont aufgegangen, als Keith sie endlich schlafen ließ. Oh,
sie haßte ihn dafür, daß er sie immer wieder rücksichtslos auf den Gipfel der
Ekstase getrieben hatte, ohne sie auch nur ein einziges Mal wirklich zu nehmen
— aber sie liebte ihn auch.
Sein lächerlicher Hausiererwagen
hielt vor Harbor Haven. Keith zog die Bremse und lächelte auf seine immer noch
empörte Begleiterin herab.
»Ich hasse dich«, sagte sie.
»Ich hasse dich auch, Liebes«,
erwiderte er freundlich. »Außer wenn du deine Beine um meinen Nacken
schlingst.«
Tess sprang vom Kutschbock und maß
Keith mit einem zornigen Blick. »Du könntest mir etwas mehr Respekt erweisen«,
versetzte sie. »Ein bißchen Anstand ...«
Keith tippte sich an den Hut und
lächelte vielsagend, aber der Blick in seinen blauen Augen verriet unendliche
Zärtlichkeit. »Ich habe einiges zu erledigen«, sagte er, als habe er kein Wort
gehört. »In einer Stunde hole ich dich wieder ab.«
»Du brauchst nicht zurückzukommen,
Keith Corbin! Wenn ich dich nie wiedersehe, wird es immer noch ...«
Keith seufzte. »Ich weiß. Wenn du
mich >nie< wiedersiehst, wird es immer noch viel zu früh sein!«
»Würdest du mir jetzt bitte mein
Fahrrad und meine Kamera geben? Und meinen Koffer.«
Keith zog spöttisch eine Augenbraue
hoch. »Willst du deine Kamera und den Koffer in den Fahrradkorb packen und
damit durch Harbor Haven brausen? Falls es so ist, kann ich dir garantieren,
daß sie dich gleich dabehalten.«
Tess zögerte. »Nun ja, dann ...«
»Ich bin in einer Stunde wieder da«,
wiederholte er mit der Geduld eines Schulmeisters. Und dann fuhr er ab, mit
allem, was Tess auf dieser Welt besaß.
Während sie den vertrauten Weg zum
Sanatorium hinaufeilte, überlegte sie fieberhaft, wie sie genug Geld verdienen
konnte, um den Aufenthalt ihrer Mutter in dieser Klinik zu bezahlen. Plus ihren
eigenen Unterhalt. Ja, wie nur?
Tränen stiegen ihr in die Augen, und
sie bereute nun, Deroras Rat nicht befolgt zu haben. Sie hätte das Telegramm
abschicken und ihren Anteil an der Belohnung kassieren sollen. Denn dann wäre
sie jetzt noch unberührt und bräuchte sich keine Sorgen um die Unterhaltskosten
für ihre Mutter zu machen.
Miss Elsmore, die Stationsschwester,
lächelte, als Tess die Halle betrat. Sie strahlte sie geradezu an.
»Ihre Mutter ist nicht hier«, sagte
sie.
Keith' erster Besuch galt dem
Telegraphenamt, und die Botschaft, die er diktierte, war kurz und bündig und so
eindeutig, daß sie sogar von seinen dickköpfigen Brüdern verstanden werden
mußte.
Danach schickte er an seine Bank in
Port Hastings ein etwas höflicheres Telegramm mit der Bitte, ihm Geld zu
überweisen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
>Sämtliche Auszahlungen für
dieses Konto gesperrt.<
Wütend zerknüllte Keith die
handgeschriebene Botschaft in der Hand und ratterte ein Antwortschreiben
herunter, das den Angestellten des Telegraphenamts in seinem Drehsessel
herumfahren ließ.
»Das können wir nicht schreiben!«
Keith marschierte wie ein
eingesperrter Löwe durch das Büro. Während er noch überlegte, was er tun
sollte, klickte das Telexgerät erneut, und der Postbeamte kritzelte hastig die
Nachricht ab.
Dann starrte er das Blatt in seiner
Hand an, als traute er seinen Augen nicht. »Nicht zu fassen«, murmelte er.
Keith wußte, daß die Nachricht für
ihn bestimmt war und riß sie dem schmächtigen Beamten ungeduldig aus der Hand.
»Bleib, wo Du bist, Du kleiner
Hurensohn. Ich bin auf dem Weg nach Portland, um Dir in den Hintern zu treten.
Gruß, Jeff.«
Keith zerknüllte das Papier und warf
es an die Wand. »Warum kann er so was schreiben, wenn ich es nicht kann?«
herrschte er den armen Angestellten an.
Der kleine Mann bebte vor Angst.
»Nun ja, anscheinend können Sie es doch, wenn Sie
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