Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
Hemd und das
blütenweiße Tischtuch des eleganten Restaurants des Grand Hotel.
»Soll das heißen, daß wir nun doch
nicht mehr ins Theater gehen?« erkundigte Roderick sich gelassen, während er
geziert mit einer Serviette den Rotwein von Gesicht und Hemd abtupfte.
Tess konnte nicht anders — sie mußte
lachen. »Du würdest danach noch mit mir ausgehen?« fragte sie verblüfft.
Er lächelte, jeder Zoll ein
Schauspieler. »0 ja. Etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig. Wir können ja
nicht gut hinaufgehen und ihnen die Hochzeitsnacht zerstören, oder?«
Daran hatte Tess nicht gedacht. Es
war gut, daß Rod einen so vernünftigen Standpunkt einnahm. »So kannst du nicht
ins Theater gehen«, wandte sie mit einem Blick auf sein beflecktes Hemd ein.
»Die Leute würden dich auslachen.«
»Geteiltes Leid ist halbes Leid«,
erklärte Rod gelassen, hob sein Glas, nippte an dem Wein und schüttete den Rest
lächelnd über Tess' Kleid.
Zehn
Der Burgunder ergoß sich über das gesamte
Oberteil von Tess' geliebtem gelben Kleid. »Du hast es ruiniert!« zischte sie
wütend, während sie versuchte, den Wein mit einer Serviette abzutupfen.
»In dieser Welt, meine Süße, bekommt
man, was man gibt. Du kannst dir sicher denken, daß wir nun hinaufgehen und
unser verliebtes Pärchen stören müssen!«
Tess war verärgert, aber es war kein
echter Zorn. Schließlich hatte sie ihm als erste den Wein ins Gesicht
geschüttet. »Ich werde dir nie verzeihen, daß du mein schönes Kleid ruiniert
hast«, murmelte sie, während sie sich vom Tisch erhoben.
»Kauf dir ein neues«, sagte Rod und
ignorierte die neugierigen Blicke der anderen Gäste, als er Tess seinen Arm
bot. Und Tess stellte verblüfft fest, daß er sogar mit Weintropfen im Haar und
rotbeflecktem Hemd die gelassene Überlegenheit eines echten Gentlemans
ausstrahlte.
Vor Suite Siebzehn wartete Tess
nervös, während Rod die Lage erkundete. Auf der anderen Seite des Korridors
befand sich eine weitere Suite, und um sich abzulenken, trat Tess vor die Tür
und betrachtete die Bronzeplatte, die daran befestigt war.
>Corbin<, stand darauf, und darunter
— in etwas zierlicheren Buchstaben — >Privat<.
Tess war sehr verblüfft. Obwohl sie
gewußt hatte, daß Keith' Familie reich war — warum hätten sie wohl sonst ein
Vermögen für Hinweise über ihren Sohn geboten —, hätte sie nie vermutet, daß
sie so reich sein könnten. In Anbetracht des Wagens, des Maulesels und
des schäbigen Huts, den Keith trug, konnte sie sich ihn nur schwer als reich
vorstellen.
Etwas veranlaßte sie, die Türklinke
zu versuchen, und tatsächlich gab sie nach. Tess spähte in den dunklen Raum.
Vielleicht war Keith ja doch nicht abgefahren die Vorstellung erfüllte sie mit
einer Lebensfreude, als sei sie gerade von den Toten auferstanden. Vielleicht
war er noch in Portland!
»Keith?« sagte sie leise, obwohl sie
wußte, daß er nicht in der Suite war. Aber weit konnte er nicht sein, denn
sonst wäre die Tür doch abgeschlossen gewesen?
Tess trat widerstrebend auf den
Korridor hinaus und zog die Tür zu. Als Rod zurückkam, stand sie in einiger
Entfernung von der Corbin-Suite und schaute ihm mit unschuldiger Miene
entgegen. »Nun?«
»Wir können ruhig hineingehen«,
erwiderte ihr Halbbruder schmunzelnd. »Sie sitzen am Kamin und spielen Whist.«
Tess bemühte sich, an den
Neuvermählten vorbeizukommen, ohne gesehen zu werden, aber ihre Mutter rief
sie zu sich.
Errötend wandte Tess sich um.
»Was ist ...?« flüsterte Olivia
entsetzt, als sie den häßlichen Fleck auf dem Kleid ihrer Tochter sah.
»Wir hatten einen kleinen Unfall«,
warf Rod lächelnd ein, jetzt ganz der fürsorgliche Bruder.
Asa legte die Karten auf den Tisch
und musterte seinen Sohn mit weisen Augen. »Merkwürdig, daß dich das gleiche
Schicksal getroffen hat«, bemerkte er mit leisem Spott.
»Zieh dich bitte gleich um, Liebes«,
sagte Olivia mißbilligend. »Vielleicht ist das Kleid noch zu retten.«
Als Tess gehorsam — und dankbar —
das Zimmer verließ, kam ihre Mutter ihr nach. Ihre Finger zitterten ein wenig,
als sie Tess beim Aufknöpfen des Mieders half.
»Ich werde in einigen Wochen
fortgehen, Tess«, sagte Olivia schüchtern.
So, das war es also — die erste
Gelegenheit, ungestört mit Tess zu sprechen, und die schien Olivia sich nicht
entgehen lassen zu wollen.
»Ja«, erwiderte Tess und schlüpfte
aus ihrem Kleid. Auch auf ihrem Hemdchen waren Weinflecken, und insgeheim
verfluchte sie
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