Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
auf derartige Ausdrücke verzichteten!« protestierte Tess,
obwohl sie dazu ihren ganzen Mut zusammennehmen mußte.
Adams blaue Augen funkelten
belustigt, und jetzt nahm er Tess' Hände in seine. »Sie glauben immer noch, wir
wollten ihm etwas antun, nicht wahr?«
»Sie haben eine Belohnung auf seine
Ergreifung ausgesetzt!«
»Ergreifung?« Adam mußte sich
sichtlich beherrschen, um nicht zu lachen. »Seien Sie einmal ganz ehrlich,
Tess: Können Sie sich vorstellen, daß Keith sich ergreifen läßt?«
Tess biß sich auf die Lippe und
dachte nach. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, wahrscheinlich nicht«, gab
sie zu.
»Wir haben ein Telegramm von einer
Frau aus Simpkinsville erhalten, in dem sie behauptet, Keith gesehen zu haben.
Angeblich benutzt er den Namen Joel Shiloh. Sie schrieb auch, ihre Nichte Tess
sei mit diesem Joel Shiloh durchgebrannt.«
Derora! Tess senkte den Kopf. »Ich
bin nicht wirklich mit ihm durchgebrannt«, flüsterte sie. »Aber da ich mit
meiner Tante nicht mehr leben konnte, hat Keith mich nach Portland
mitgenommen.«
»Und?«
Tess erwiderte Adams prüfenden
Blick. »Ich glaube, er ist weitergezogen. Ich habe die ganze Nacht auf ihn
gewartet, um mich von ihm zu verabschieden und ...«
»Ein schöner Priester«, murmelte
Jeff, ohne in seiner Wanderung innezuhalten.
»Priester?« Tess verschluckte sich
fast, als sie an all die schönen, sündhaften Dinge dachte, die sie mit Keith
getan hatte. »Er ist Priester?«
Adam richtete sich zu seiner vollen
Höhe auf. »Ja. Oder zumindest war er es.«
»Bis Amelie starb«, meinte Tess, und
der bedauernde Ton in ihrer Stimme galt nicht dem toten Mädchen, sondern ihren
eigenen, unerfüllten Hoffnungen.
»Am Tag ihres Begräbnisses warf er
seinen Priesterkragen in den Fluß«, sagte Adam schroff. »Er ritt in jener
Nacht davon, und keiner von uns hat ihn seither wiedergesehen.«
»Er trauert immer noch um sie.«
Tess' Stimme klang so bedrückt, daß sie damit mehr verriet, als sie ahnte. »Er
liebt sie auch heute noch.«
»Er ist ein Narr!« versetzte Jeff
barsch.
Tess beschloß, daß ihr mindestens
einer von Keith' Brüdern unsympathisch war und wollte Jeff schon scharf
zurechtweisen. Aber Adam kam ihr zuvor.
»Ist er das, Jeff?« Die Frage klang
ruhig und gelassen, aber es lag ein drohender Unterton darin. Fast wie eine
Warnung. »Was wäre geschehen, wenn Fancy an jenem Tag umgekommen wäre?«
»Es war nicht Fancy. Und auch deine
Banner nicht. Was willst du also damit sagen?«
»Das ist ganz einfach. Keith scheint
Amelies Tod noch nicht überwunden zu haben und will nichts von seinem früheren
Leben wissen. Und dazu gehören auch wir, Jeff. Bisher habe ich es nur
vorgeschlagen, aber jetzt ist es ein Befehl: Wir werden ihn in Ruhe lassen,
Jeff. Wir rufen alle Detektive zurück, und wir nehmen die Annoncen aus den
Zeitungen.«
»Aber ...«
»Aber nichts. Keith ist ein
erwachsener Mann und längst nicht mehr der kleine Junge, für den wir früher
Schläge einsteckten. Wenn und falls er zurückkommen will, wird er
es tun.«
»Verdammt, Adam, ich liebe meinen
Bruder!«
Tess warf dem Erzengel einen
verwunderten Blick zu.
»Ich auch.« Adam Corbins blaue Augen
richteten sich flüchtig auf Tess' schmales Gesicht. »Wir alle. Und deshalb
werden wir ihn von jetzt an in Ruhe lassen.«
»Und wenn er uns braucht?« wandte
Jeff ein, und Tess glaubte einen feuchten Schimmer in seinen Augen zu sehen.
Das Weinen ist in meiner Familie
üblich, hatte Keith
in jener Nacht im Wagen zu ihr gesagt, als er selbst geweint hatte ...
»Ich muß jetzt gehen«, sagte sie.
Keiner der Männer schien es zu hören, und keiner versuchte sie aufzuhalten.
Elf
Keith Corbin umklammerte den Ring wie
einen Talisman, der ihn von all seinen negativen Gefühlen befreien konnte.
»Amelie«, murmelte er beschwörend vor sich hin. »Amelie ...«
Aber ihr Name vollbrachte keine
Wunder mehr. Er vermißte Tess noch immer, begehrte sie auch jetzt noch ...
mehr als je zuvor.
Es war ein herrlicher Morgen. Am
klaren Himmel zogen Vögel ihre Kreise, und sogar der alte Maulesel wieherte
leise, als wollte er in das Gezwitscher einstimmen.
»Du findest das wohl lustig«, sagte
Keith, den Blick anklagend zum Himmel erhoben. »Dann will ich dir mal was
sagen. Ich glaube nicht mehr an dich. Und nichts, was du tust, wird mich dazu
bringen, diese Frau zu heiraten ...«
Er brach verwirrt ab. Was stand er
hier herum und sprach mit jemandem, an dessen Existenz er gar nicht
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