Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
Morgen.«
Tess senkte den Kopf, um ihre
Erleichterung zu verbergen.
Es war ihr Glück und auch ihr Pech,
daß sie schon eine Stunde nach Verlassen des Hotels das perfekte Lokal für Tess
fanden. Es befand sich in einem schmalbrüstigen Gebäude und hatte außer dem
Laden und einem kleinen Hintergarten noch drei Räume im ersten Stock, die als
Wohnung eingerichtet werden konnten. Der Fotograf, dem das Haus gehörte,
verkaufte es mit einer beachtlichen Sammlung von Kameras, Entwicklungsmaterial
und einer Menge unbezahlter Rechnungen.
»Es sieht so düster aus«, klagte
Olivia, als sie die Spinnweben an den Deckenbalken sah. »Ach, Tess, wenn ich
mir vorstelle, daß du an einem solchen Ort leben und arbeiten wirst ...«
Doch Tess hatte sich bereits in
jeden einzelnen Quadratzentimeter des winzigen Ladens verliebt. Immerhin würde
er ihr gehören, und das allein machte vieles andere wieder wett.
Asa und Mister Lathrop, der frühere
Besitzer, waren zur Bank gegangen, um alles Finanzielle zu regeln. Rod blieb,
um >nach den Frauen zu sehen<, wie er sagte, und schaute sich so
verächtlich um wie Olivia. Er berührte den kleinen Ofen aus Gußeisen, der mit
einer dicken Staubschicht bedeckt war, und sagte: »Sieht mir nicht nach einem
gutgehenden Geschäft aus. In sechs Monaten nagst du am Hungertuch.«
Tess wagte ihren Bruder nicht zu
verärgern. Noch nicht. »Unsinn«, sagte sie fröhlich. »Der Laden braucht ein
bißchen Farbe und eine gründliche Reinigung. Wenn Mister Lathrop keinen Erfolg
hatte, dann nur, weil er sein Geschäft nicht ordentlich geführt hat.«
»Wenn du meinst«, antwortete Rod
seufzend, aber insgeheim lachte er sie aus. Es bereitete ihm einen Heidenspaß,
daß er Tess in der Hand hatte.
Sie merkte es und biß ärgerlich die
Zähne zusammen. Jetzt, wo der Laden innerhalb so kurzer Zeit gefunden war,
konnte er wieder auf seinen Besuch bei den >Goldenen Zwillingen<
bestehen, und vermutlich erwartete er sogar von ihr, daß sie freundlich zu
diesem Gecken Cedrick war.
Andererseits — was konnte schon
passieren bei einem Besuch am hellen Nachmittag? Sie würden Tee trinken, sich
ein bißchen unterhalten, und Rod würde versuchen, Cedricks Aufmerksamkeit auf
seine schauspielerischen Fähigkeiten zu lenken. Und dann fuhren sie zum Hotel
zurück, und Tess konnte anfangen, Pläne für ihren Laden zu machen. Asa verstand
etwas von Geschäften — sie würde ihn um Rat bei Buchführung und ähnlichen Dingen
bitten.
Als Asa zurückkehrte, wirkte Olivia
erschreckend müde und erschöpft, und ihr Mann beeilte sich, sie ins Hotel
zurückzubringen.
Tess ging in die Küche der Suite und
kochte Tee für ihre Mutter. Als sie das Tablett zu Olivia hineintrug, forderte
ihre Mutter sie auf, sich für einen Moment zu ihr zu setzen.
»Ich mag diesen Laden nicht, Tess«,
sagte sie klagend. »Er ist schmutzig und dunkel, und jeder Wüstling von der
Straße könnte hereinkommen und dich überfallen.«
Tess unterdrückte ein Seufzen.
Olivia war fünf Jahre lang keine Mutter gewesen, nicht durch ihre Schuld
natürlich. Anscheinend wollte sie das nun wiedergutmachen, indem sie Tess
alles erschwerte. »Mama, das Lokal befindet sich im besten Teil der Stadt —nur
fünf Minuten von diesem Hotel entfernt!«
»Trotzdem. Ich möchte, daß du diese
dumme Idee aufgibst und mit deinem Vater und mir nach St. Louis zurückkehrst.«
Tess versteifte sich. »Das werde ich
nicht tun. Ich bin kein Kind mehr, Mama. Ich könnte auch keins mehr sein,
selbst wenn ich es wollte.«
»Es ist dieser zerlumpte Hausierer,
nicht wahr? Ich weiß, daß du gestern nacht nicht in deinem Bett warst, Tess.
Ich wollte dir gute Nacht sagen, aber du warst nicht da. Ich habe Asa nichts
davon erzählt, aber das heißt nicht, daß ich es nicht tun werde.«
»Ich war nicht mit Keith zusammen,
Mutter!« flüsterte Tess verzweifelt. O Gott, sie konnte sich vorstellen, was
Asa tun würde, wenn es ihm zu Ohren kam! Vielleicht nahm er ihr den Laden
wieder ab. Oder er bestand darauf, daß sie nach St. Louis mitkam. Das Gesetz
räumte ihm beide Möglichkeiten ein.
»Wo warst du dann?«
»Ich ging in seine Suite — seine Familie
besitzt eine Suite auf der anderen Seite des Korridors.« Tess senkte den Kopf
und schluckte verlegen. »Ich weiß, daß es nicht richtig war, aber ich wollte
Keith noch einmal wiedersehen. Ich wollte mich von ihm verabschieden, aber
leider war er nicht da. Also setzte ich mich auf das Sofa, um auf ihn zu
warten, und da muß ich wohl
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