Corina 01 - Dämonisch verführt
von MAGIE bestand. Wie das Zimmer auf der anderen Seite des Flurs erweckte dieses den Anschein, dass es besser zu einem Krankenhaus oder Laboratorium passte als zu einer übernatürlichen Festung. Aber es schwammen keine monströsen Körper in Formaldehyd, und es gab auch nichts anderes, das Radus Gesichtsausdruck erklären konnte. Er lächelte nervös, die großen türkisfarbenen Augen, die ihm den Beinamen »der Schöne« eingebracht hatten, groß und voller Sorge.
»Sieh mich nicht so an, als hättest du Angst davor, dass ich eine Waffe ziehe und dich angreife«, sagte ich gereizt.
Ich wusste nicht, warum er auf diese Weise reagierte, denn ich hatte nie versucht, ihn zu töten. Vielleicht glaubte er, dass es für alles ein erstes Mal gab. Ich nahm auf der Kante eines nahen Tresens Platz, zündete mir einen Joint an und versuchte, ganz cool auszusehen, damit er sich beruhigte. Besonders erfolgreich schien ich damit nicht zu sein, denn seine Anspannung ließ kaum nach.
»Du bist wieder brünett«, sagte er, und gleich darauf wuchs seine Nervosität, als ihm klar wurde, dass persönliche Kommentare nicht unbedingt der beste Weg waren, ein Gespräch zu beginnen.
»Vorübergehend.«
Er versuchte, sein Lächeln etwas breiter werden zu lassen, aber es zitterte auf seinen Lippen, und er gab schnell auf. »Es ist, äh, eine ganze Weile her, Dorina.«
»Es heißt Dory, und ja, ich schätze, da hast du recht.« Ich dachte kurz nach. »Mal sehen. Der Zweite Weltkrieg war noch im Gange. Ich erinnere mich daran, weil du auf die Krauts sauer warst: Sie hatten ein Schiff mit Sachen von dir an Bord versenkt.«
»Die Blockade von Großbritannien.« Radu gestikulierte hilflos. »Eine ärgerliche Sache. Einige der selteneren Kräuter kriegt man sonst nirgends.«
»Tja.« Ich sah zu den Regalen mit ihren wertvollen Ingredienzien. »Jetzt, wo du für MAGIE arbeitest, fällt es dir bestimmt nicht schwer, ungewöhnlichen Kram zu bekommen.«
Es gab für mich keinen ersichtlichen Grund, warum Radu bei dieser Bemerkung leicht zusammenfuhr. Während des vergangenen Jahrhunderts hatte der Senat ihn als einen Braintrust-Sonderling benutzt, der in den unteren Etagen arbeitete und dort wer weiß was zusammenbraute. Die ganze Sache war nichts Neues, und deshalb interessierte mich seine Reaktion. Aber meine Chancen, Informationen von ihm zu bekommen, waren etwa ebenso groß wie die Aussicht, von den Vampiren zur beliebtesten Person weltweit gewählt zu werden, und deshalb wechselte ich das Thema.
»Ich arbeite derzeit mit Louis-Cesare zusammen. Hast du davon gehört?«
Er nickte heftig. »Mircea hat es erwähnt. Wie kommt ihr miteinander aus?«
»Hervorragend. Bis Jonathan aufkreuzte.«
Ich beobachtete Radu genau, aber nichts deutete darauf hin, dass ihm der Name etwas bedeutete. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er sich bestimmt verraten. Es erstaunte mich immer wieder, dass Mircea und er Geschwister waren. »Wer?«
»Schon gut.« Ich schenkte ihm mein bestes Lächeln, und aus irgendeinem Grund Heß es ihn erbleichen. »Ich bin froh, dass ich dich getroffen habe, Onkel. Darf ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Es gibt drei große Häuser der Lichtelfen«, teilte mir ein unscheinbarer kleiner Vampir mit, den Radu aufgetan hatte. Er roch wie modrige, staubige alte Bücher und war grau: Haare, Augen, Kleidung und Zähne. Doch der Bücherwurm kannte sich aus; diesmal hatte sich Onkel Radu als nützlich erwiesen. »Die Blarestri oder Blauen Elfen sind derzeit das herrschende Haus, aber sie sitzen nicht besonders fest im Sattel der Macht, weil ihr König keinen Erben hat. Besser gesagt: Er hat zwar einen Sohn, Prinz Alarr, aber der kann nicht herrschen.«
»Warum nicht?« Ich saß auf der Kante eines überquellenden Schreibtischs, eines Sekretärs, der aus Dickens’ Zeit zu stammen schien und den größten Teil des kleinen Büros füllte. Der Vamp war einer von Marlowes Leuten, die zwar zum Spionagenetz gehörten, aber nicht als Einsatzagenten arbeiteten, sondern als Bibliothekare. Er sammelte Informationen über die Elfen, und Radu hatte seine Beziehungen spielen lassen, damit ich mir sein Gehirn für eine halbe Stunde ausleihen konnte.
»Alarr ist halb Mensch, und der Herrscher muss immer vor allem Elfenblut in seinen Adern haben«, erklärte der kleine graue Vampir. »Aber es gibt Leute, die daran zweifeln, ob er die alten Traditionen achten wird, wenn man ihm den Thron vorenthält. Man furchtet einen Bürgerkrieg, sollte
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