Corina 01 - Dämonisch verführt
wurde irgendwie surreal. Mircea und ich standen uns nicht nahe; ich hatte mehrmals in aller Öffentlichkeit damit gedroht, ihn umzubringen. Aber jetzt nahm mich in dieser Hinsicht zum ersten Mal jemand ernst. Glaubte Drac, dass ich Mircea ebenso hasste wie er? Hatte er wirklich London vergessen, oder dachte er, dass ein Jahrhundert meine Erinnerungen trübte? Ich unterdrückte ein Schaudern. So etwas vergaß man nicht. Nicht in hundert Jahren. Nie.
»So einfach ist das nicht«, sagte ich geradeheraus.
»Gibt es ein Problem?«, fragte Drac fast höflich.
»Ja, Mircea ist derzeit nicht in Washington. Das letzte Mal habe ich ihn in New York gesehen, vor einigen Tagen, und ich hatte den Eindruck, dass er dort nicht lange bleiben wollte. In Vegas ist er nicht. Der Senat hat ihn mit einer Mission beauftragt, von der ich nichts weiß, und ich glaube nicht, dass er in naher Zukunft einen Abstecher nach Hause macht.«
»Klingt einleuchtend.« Drac dachte nach. »Und Radu?«
Ich zögerte nicht. Radu hatte einen vierstündigen Vorsprung und außerdem eine Senatseskorte. Die Wahrheit zu sagen, bedeutete eine Hürde weniger - ich brauchte mir nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich dafür sorgen konnte, dass die Information Drac erreichte. »Da hast du vielleicht mehr Glück. Radu ist zu seinem Landsitz unterwegs, und ich soll ihm dort als Leibwächterin Gesellschaft leisten, bis eine andere Gruppe zusammengestellt wird und die ersetzt, die du ausgelöscht hast.«
»Warum verlässt er MAGIEs Schutz, obwohl er weiß, dass ich hinter ihm her bin?« Drac richtete einen durchdringenden Blick auf mich. »Hast du gehofft, kleine Dhampirin, dass ich ihm folgen würde?«
»Ich habe an diese Möglichkeit gedacht, ja.« Warum es leugnen? Eine andere Erklärung hätte keinen Sinn ergeben.
»Und Radus Landsitz befindet sich wo?«
»Er hat mich dort nie zum Essen eingeladen; mit eigenen Augen habe ich ihn nie gesehen. Aber ich weiß, dass er irgendwo in Kalifornien sein muss. Ein altes Weingut, das er in den Sechzigerjahren zu einem Spottpreis gekauft hat.«
»Warum glaubt er, dort sicher zu sein?«
Auch in diesem Fall konnte ich nicht so tun, als wüsste ich nichts. Als seine Leibwächterin hätte ich Radu nicht jenen Ort wählen lassen dürfen, ohne ihn vorher zu überprüfen und mich davon zu überzeugen, dass er einem Angriff standhalten konnte. »Mircea ist Senatsmitglied. Er hat viele Feinde, und Radu hat man immer als seine schwache Stelle gesehen. Bei dem Weingut gibt es starke Schutzzauber, einige von ihnen so gut wie die von MAGIE, für den Fall, dass jemand versucht, über seinen Bruder an Mircea heranzukommen.«
Drac lehnte sich nicht entspannt zurück, wie es ein Mensch getan hätte, aber irgendwie erweckte er den Eindruck von Zufriedenheit. »Gut. Dann wähnt er sich also in Sicherheit. Als seine Beschützerin hast du Grund, dich nach den Schutzzaubern zu erkundigen. Du wirst so viel wie möglich über sie herausfinden, mir die Informationen übermitteln und dafür sorgen, dass meine beiden Brüder zur gleichen Zeit dort sind.«
Ich rutschte unruhig hin und her. »Und wenn das nicht möglich ist? Wie ich schon sagte, ich weiß nicht, wo Mircea steckt. Ganz zu schweigen davon, dass er nicht angelaufen kommt, wenn ich ihn rufe. Ich kann vielleicht herausfinden, was es mit den Schutzzaubern auf sich hat, aber…«
»Ich habe andere Möglichkeiten, an den Schutzzaubern vorbeizugelangen, Dorina«, sagte Drac. Er stellte mir seine magischen Freunde nicht vor, aber wir wussten beide, wen er meinte. »Deine Informationen machen die Sache einfacher, aber sie genügen nicht für dein Leben. Du kannst dir höchstens einen leichteren Tod damit kaufen, mehr nicht. Ich will Mircea.«
Ich schluckte. »Welchen Grund kann ich ihm geben, vorausgesetzt, ich finde ihn? Er vertraut mir nicht uneingeschränkt…«
»Natürlich nicht. Mein Bruder ist kein Dummkopf.«
»Aber dir ist doch klar, dass dadurch alles schwierig wird…«
Ich sah den Hieb nicht kommen und spürte ihn nicht einmal. Den ersten Hinweis darauf, dass ich vielleicht zu viele Fragen gestellt hatte, bekam ich, als mein Körper mit einem dumpfen Pochen gegen die Wand prallte. Ich rutschte an der grässlichen beigefarbenen Tapete herunter, und eine dunkle Gestalt erschien verschwommen in meinem Blickfeld. »Finde eine Möglichkeit, wenn du am Leben bleiben willst. Ich warte auf deine Mitteilung. Enttäusche mich nicht.«
Eins der Ärgernisse, Dhampir zu
Weitere Kostenlose Bücher