Corina 01 - Dämonisch verführt
warum war mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen? An einen gut zwei Meter großen leuchtenden Elfen in unserem Wohnzimmer hätte ich mich eigentlich erinnern sollen.
»Die Elfen werden deine Freundin finden. Du kannst nicht nach ihr suchen, ohne dein Leben zu riskieren«, sagte Louis-Cesare und unterbrach damit meine Überlegungen. »Glaubst du etwa, Dracula würde zögern, seine Drohungen wahr zu machen?«
Nein, das glaubte ich nicht. Was meine Gedanken zum ursprünglichen Dilemma zurückkehren ließ. Ich konnte Dracs Ultimatum ignorieren und versuchen, Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung, dass es Caedmon gelang, Claire zu retten. Aber wie mächtig der Elf auch sein mochte, er verstand unsere Welt nicht besonders gut, und das gab Dracula einen großen Vorteil. Ich konnte Claires Schicksal weder in die Hände der Elfen legen noch das ganze Problem Mircea überlassen. Irgendwie musste es mir gelingen, sie selbst zurückzuholen. Unglücklicherweise hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen sollte.
13
Radus Anwesen sah genauso aus, wie ich es erwartet hätte, wenn ich bereit gewesen wäre, genauer darüber nachzudenken. Unser Wagen passierte ein altes Steintor, rollte über eine lange Zufahrt und dann auf einen mit Kies bedeckten Parkplatz. Er befand sich vor einem Komplex aus Nebengebäuden und einem doppelstöckigen Hauptgebäude, umgeben von bunten Wucherungen außer Kontrolle geratener Bougainvillea-, Hibiskus-und Jasmin-Sträucher. Leider brachten es weder die dichte Vegetation noch das dunkler werdende Zwielicht fertig, das Haus zu verbergen. Sein ursprüngliches spanisches Äußeres, das vermutlich Wände aus einfachen Adobeziegeln präsentiert hatte, zeigte nun reichlich marokkanische Kacheln, verzierte Säulen, vergoldete Kuppeln und mehr Schmiedeeisen als ein Bordell in New Orleans.
Vielleicht hätte ich mich zu entsprechenden Bemerkungen hinreißen lassen, aber ich befand mich in keinem viel besseren Zustand. Wir alle sahen ein wenig mitgenommen aus, bis auf den Elfen, der taufrisch wirkte, zum Teufel mit ihm. Natürlich hatte er den Beifahrersitz bekommen, während ich mich mit dem einen Achtel des Fonds begnügen musste, den mir der Bergtroll übrig ließ. Olga war dazu überredet worden, ihre Streitmacht zurückzulassen, aber abgesehen von direkter Gewalt hatte es kein Mittel gegeben, sie daran zu hindern, uns zu begleiten. (Selbst Louis-Cesare hatte sich dagegen gesträubt, eine trauernde Witwe anzugreifen.) Dann war da noch Stinky.
Wegen des Platzmangels hockte er bei mir auf dem Schoß, und der Geruch war recht intensiv, trotz des geöffneten Fensters. Olga war sogar ein bisschen zur Seite gerückt, was uns zusätzliche zwei oder drei Zentimeter gab. Wenn selbst Trolle glaubten, dass man stank, war die Sache tatsächlich ernst.
Als wir uns dem Anwesen näherten, fühlte ich die Schutzzauber. Nicht weniger als drei Mal spürte ich ihr Knistern und war froh, dass man uns erwartete. Trotzdem standen uns allen die Haare zu Berge, als wir schließlich vor dem Haupthaus hielten, und Stinky war kaum mehr als ein Pelzball mit Beinen.
Louis-Cesare erschien neben mir, nahm mich in die Arme, bevor ich irgendwelche Einwände erheben konnte, und trug mich zum Haus. Zuvor hatte er mich auch zum Wagen getragen, aber ich war dabei halb bewusstlos gewesen und hatte kaum etwas davon gemerkt. Unter anderen Umständen hätte ich ihn aufgefordert, mich abzusetzen, aber meine Beine fühlten sich schwach an.
Radu wirkte überrascht, als er uns hereinkommen sah, verzichtete aber auf einen Kommentar. Er war auf eine Weise gekleidet, die er vielleicht »adrett« genannt hätte: schwarzer Samt und schwarze Perlen, die im Licht einer altmodischen Laterne in seiner blassen Hand glänzten. Das Fehlen von Elektrizität wies mich sofort darauf hin, wie ernst er diese Sache nahm. Hier gab es keine gewöhnlichen Schutzzauber. Es waren vielmehr richtig dicke Dinger am Werk, und sie schickten uns zurück ins Zeitalter der Kerzen und Laternen. Was eine gediegene Atmosphäre schuf, denn Radus irrer Designer hatte offenbar noch keine Gelegenheit gefunden, sich im Innern des Gebäudes auszutoben. Eine Kathedralendecke mit alten Holzbalken begrüßte uns im Eingangsbereich, in dem eine einfache offene Treppe zu einer Galerie führte. Ich entdeckte etwas, das für die Zukunft Schlimmes ahnen ließ: Den klassischen Linien des schmiedeeisernen Kronleuchters waren ein paar Hundert Bergkristalle hinzugefügt worden.
Wir
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