Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
auf den klammen, modrigen Seidentüchern einer Koje und starrte an die Decke. Durch eine Luke, die zu schmal war, durch sie zu entkommen, drang ein schwacher Schimmer grünen Lichtes. Corum schritt ruhelos auf und ab, und immer noch fiel es ihm schwer, an die Wirklichkeit seiner Lage zu glauben.
Dies hier war zweifellos die Kajüte des toten Markgrafen. Wenn Corum nicht hier wäre, würde dann der Markgraf das Lager mit seiner Gattin teilen?
Corum schauderte und preßte seine Hand gegen die Schläfe, überzeugt, daß er entweder dem Wahnsinn verfallen war, oder unter dem Einfluß einer fremden Macht stand - ganz sicher jedoch konnte das hier nicht wirklich sein.
Als Vadhagh war er durchaus mit vielen Dingen vertraut, die ein Mabden sich nicht einmal vorstellen konnte. Aber das hier schien ihm völlig unnatürlich. Es war wider alle Wissenschaft, die er kannte. Wenn sein Geist noch gesund und alles tatsächlich so war, wie es schien, dann waren die Mabden-Kräfte weitaus größer als alles, was die Vadhagh je gekannt hatten. Aber es waren finstere und morbide Kräfte, ungesunde Kräfte, die nichts Guten zeugten.
Corum war müde, aber er vermochte nicht zu schlafen. Alles, was er berührte, war voll feuchter Verwesung, und es drehte ihm den Magen um. Des öfteren blickte er hinaus durch die Luke, um sich zu orientieren, aber es war unmöglich, mehr zu sehen als schaumgekrönte Wogen oder einen einsamen Stern am Himmel.
Dann, viel später, entdeckte er den ersten grauen Schimmer am Horizont. Er war erleichtert, daß der Morgen nahte, denn dies hier war ein Schiff der nächtlichen Alpträume. Es würde mit dem Aufgehen der Sonne verschwinden, und er und Rhalina würden sich in ihrem eigenen Bett wiederfinden.
Aber was war es gewesen, das die Barbaren so erschreckt hatte?
Oder war auch das nur ein Teil seines Traums? Vielleicht hatte sein Zusammenbruch nach dem Kampf mit Glandyth, als er die Burg erreicht hatte, Fieberträume ausgelöst? Vielleicht kämpften seine Gefährten immer noch um ihr Leben gegen die Ponystämme? Er rieb sich die Stirn mit dem Armstumpf und benetzte seine trockenen Lippen mit der Zunge. Wieder versuchte er einen Blick in die Dimensionen. Aber nun waren sie ihm verschlossen. Ruhelos schritt er weiter in der Kabine auf und ab.
Doch dann erreichte ein eigenartiges Dröhnen seine Ohren. Sein Gehirn prickelte. Er rieb sich das Gesicht. Das Dröhnen verstärkte sich. Seine Ohren schmerzten. Seine Zähne schmerzten. Das Dröhnen wuchs immer noch.
Er preßte seine rechte Hand gegen das Ohr und bedeckte das andere mit dem Arm. Tränen traten ihm in das Auge. Und in der leeren Augenhöhle pochte ein schneidender Schmerz.
Er taumelte von Seite zu Seite in der verrotteten Kabine und versuchte die Tür aufzubrechen.
Aber die Sinne verließen ihn.
Er stand in einer dunklen Halle mit kunstvoll gerippten Wänden, die bogenförmig hoch über seinem Kopf zusammenliefen. Die handwerkliche Ausstattung stand in nichts jener der Vadhagh nach, aber im Gegensatz zu dieser war sie nicht von einer heiteren Schönheit, sondern düster und bedrückend.
Sein Kopf schmerzte.
Die Luft vor ihm flimmerte plötzlich in einem blassen Blau, und mit einem Mal stand ein hochgewachsener Jüngling vor ihm. Das Gesicht war jung, aber die Augen alt, uralt. Er trug ein schlichtes, weit fallendes Gewand aus gelbem Samit. Er verbeugte sich, drehte sich um und setzte sich auf eine Steinbank, die in die Wand gehauen war.
Corum runzelte die Stirn.
»Ihr glaubt, Ihr träumt, Meister Corum?«
»Ich bin Prinz Corum im scharlachroten Mantel, der Letzte der Vadhagh.«
»Es gibt keinen Prinzen hier außer mir«, wies der Jüngling ihn mit sanfter Stimme zurecht. »Ich gestatte es nicht. Wenn Ihr das einseht, wird es keinen Unmut zwischen uns geben.«
Corum zuckte die Achseln. »Ja, ich glaube, ich träume.«
»In bestimmter Hinsicht tut Ihr das natürlich auch. So, wie wir alle träumen. Für eine Weile, Vadhagh, wart Ihr in einem Mabden-Traum gefangen. Die Regeln der Mabden bestimmen Euer Geschick, und Ihr wollt es nicht dulden.«
»Wo ist dieses Schiff, das mich hierherbrachte? Wo ist Rhalina?«
»Das Schiff kann bei Tag nicht segeln. Es ist in die Tiefe der See zurückgekehrt.«
»Und Rhalina?«
Der Jüngling lächelte. »Mit ihm, natürlich. Das war die Abmachung, die sie traf.«
»Dann ist sie tot?«
»Nein, sie lebt.«
»Wie kann sie unter Wasser leben?«
»Sie lebt, sie wird immer leben. Die Besatzung wird mit
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