Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
hoch. Der tote Markgraf hatte seine Hand befehlend erhoben. Die feurigen Augen brannten sich tief in Corums Auge.
Corum versuchte die Perspektive zu ändern, in die anderen Dimensionen um ihn herum zu blicken, und schließlich glückte es ihm auch.
Aber es änderte nichts. Das Schiff war in allen fünf Ebenen. Er konnte ihm nicht entrinnen.
»Ich lasse sie nicht mit Euch fahren«, weigerte sich Corum. »Eure Abmachung war ungerecht. Warum soll sie sterben?« »Sie wird nicht sterben. Sie wird bald erwachen.«
»Wo? Unter den Wellen?«
»Sie hat diesem Schiff Leben gegeben. Ohne sie würden wir wieder versinken. Mit ihr an Bord werden wir leben.«
»Leben? Ihr lebt nicht!«
»Es ist besser als der Tod.«
»Dann muß der Tod etwas Schlimmeres sein, als ich mir vorstellte.«
»Für uns ist er es, Prinz der Vadhagh. Wir sind die Sklaven Shool-an-Jyvans, denn wir starben in seinen Gewässern. Nun laßt meine Gemahlin zu mir, auf daß wir wieder vereint sind.«
»Nein!« Corum umklammerte Rhalinas Arm noch fester. »Wer ist dieser Shool-an-Jyan?«
»Er ist unser Herr. Er ist von Svi-an-Fanla-Brool.«
»Das Heim des unersättlichen Gottes!« Die Insel, die Corum aufzusuchen beabsichtigt hatte, ehe Rhalinas Liebe ihn auf Burg Mordel zurückhielt.
»Genug jetzt! Laßt meine Gemahlin an Bord kommen.«
»Wie wollt Ihr mich dazu zwingen? Ihr seid tot! Ihr habt nicht viel mehr Macht, als es zur Vertreibung abergläubischer Barbaren braucht.«
»Wir retteten Euer Leben. Nun gebt uns, was wir benötigen, um zu leben. Sie muß mit uns kommen.«
»Die Toten sind selbstsüchtig.«
Das Skelett nickte, und das grüne Feuer wurde ein wenig schwächer. »Aye. Die Toten sind selbstsüchtig.«
Nun bemerkte Corum, daß der Rest der Besatzung sich zu bewegen begann. Er hörte das Schlittern ihrer Füße auf dem glitschigen Deck. Er sah ihr verwestes Fleisch, ihre glühenden Augenhöhlen. Er begann sich zurückzuziehen und Rhalina mit sich zu zerren. Aber sie kam nicht freiwillig, und er war völlig erschöpft. Keuchend redete er auf sie ein. »Rhalina. Ich weiß, du hast ihn nie geliebt, auch nicht, als er noch lebte. Du liebst mich, Rhalina. Ich liebe dich. Sicherlich ist das stärker als irgendeine Abmachung!«
»Ich muß zu meinem Gemahl!«
Die Untoten hatten nun die Landbrücke erreicht und schlürften auf sie zu. Corum hatte sein Schwert in der Burg zurückgelassen und auch keine andere Waffe bei sich.
»Haltet an!« befahl er. »Die Toten haben kein Recht auf die Lebenden!«
Näher kamen die Untoten.
Corum rief dem Markgrafen zu, der immer noch am Heck stand. »Haltet sie zurück! Nehmt mich, statt ihrer! Schließt eine Abmachung mit mir!«
»Das kann ich nicht.«
»Dann laßt mich mit ihr kommen. Es wäre nicht Euer Schade. Ihr hättet zwei Lebende, um Eure toten Seelen zu wärmen.«
Der Markgraf schien darüber nachzudenken.
»Warum wollt Ihr das tun? Die Lebenden haben keine Liebe für die Toten.«
»Aber ich liebe Rhalina. Es ist Liebe, versteht Ihr?«
»Liebe? Die Toten wissen nichts von Liebe.«
»Und doch wollt Ihr Eure Gattin bei Euch haben?«
»Sie war es, die die Abmachung vorschlug. Shool-an-Jyvan hörte sie und entsandte uns.«
Die schlurfenden Untoten hatten sie nun umringt. Corum erstickte fast in dem Fäulnisgestank, der von ihnen ausging.
»Dann werde ich mit Euch kommen.«
Der tote Markgraf nickte zustimmend mit dem Schädel.
Geleitet von den Untoten begab Corum sich mit Rhalina auf das Schiff. Es war vom Schlamm des Meeresgrundes bedeckt und überall von Seetang überwuchert, von dem das gespenstische, grüne Feuer ausging. Was Corum für glanzlose Juwelen gehalten hatte, waren farbige Muscheln, die überall hafteten.
Während der Markgraf sie vom Heck beobachtete, führten die Untoten Corum und Rhalina in eine Kabine, deren Tür sie hinter ihnen schlossen. Es war dunkel in dem kleinen Raum und es stank nach Verwesung.
Corum hörte das Ächzen des verrottenden Holzes, als das Schiff sich in Bewegung zu setzen begann.
Es segelte schnell, ohne Wind oder sonstigen sichtbaren Antrieb.
Es nahm Kurs auf Svi-an-Fanla-Brool, der Insel der Legenden, dem Heim des unersättlichen Gottes.
ZWEITES BUCH
In dem berichtet wird, wie Prinz Corum ein Geschenk erhält und einen Pakt schließt
DAS ERSTE KAPITEL
Der ehrgeizige Zauberer
Während sie durch die Nacht segelten, bemühte Corum sich immer wieder, Rhalina aus ihrer Trance zu wecken, aber was er auch versuchte, sie reagierte nicht. Sie lag
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