Coruum Vol. 1
legt ihn in einen der durchgebrannten Geräte-Container.«
»Warten Sie!« rief ich. Mir war etwas aufgefallen.
»Was ist?« fragte Johns ungeduldig, seine blassen Augen ärgerlich zusammengekniffen.
Ohne ihm zu antworten, ging ich an den zerschundenen Körper und beugte mich über Marquez’ verbrannte Hand, wobei ich den in mir aufsteigenden Ekel unterdrückte. Sie war zu einer Faust geballt erstarrt.
»Geben Sie mir bitte Ihr Messer«, sagte ich, ohne mich umzublicken, zu Branson.
Lautlos zog er die Klinge und reichte mir das durch Bohrungen gewichtsoptimierte, mattschwarze Metall mit dem Griff voran. Ich nahm es vorsichtig in die rechte Hand, stieß die Klinge behutsam von der Seite in Marquez Faust und drehte sie langsam, um die Finger zu öffnen.
Das Knacken der erstarrten Gelenke jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ein kleines Stück dünner Metallfolie kam zum Vorschein, welches mir seltsam vertraut vorkam. Wie betäubt nahm ich es vorsichtig auf und hielt es in das Licht der Zeltlampe.
»Was ist das?« Warren sah es sich auf der Nähe an. Seine Nase befand sich fast an meiner Hand.
Der Captain kam näher und hob die Schultern. »Keine Ahnung. Sieht aus wie Metallfolie. Vielleicht hatte er gerade ein Kaugummi gegessen und war deshalb von der Straße abgelenkt. Da hat ihn ein Truck getroffen. Bumm!«
Warren sah ihn angeekelt an.
Ich wusste, was das war. Die Ränder der Folie waren rasiermesserscharf. Und hätte Johns das Stückchen angefasst, hätte auch er gemerkt, das es steif wie eine ein Zentimeter dicke Stahlplatte war und nicht verformbar wie ein Stück Stanniolpapier von einem Kaugummi.
»Das sagt mir nichts, Doktor. Können wir ihn jetzt wieder einpacken, oder möchten Sie hier vor Ort eine Autopsie vornehmen?«
Ich sah Johns kurz an und ging dann unter Warrens fragendem Blick kopfschüttelnd nach draußen und hinüber zum Bürocontainer von Karen.
Sie und Sinistra nahmen die Nachricht vom gewaltsamen Tod Marquez traurig auf. Keiner hatte ihn wirklich gemocht, trotzdem war dies der zweite Tote aus dem Ausgrabungsteam innerhalb von einer Woche, und das war schon unheimlich.
Ich verschwieg ihnen meinen neuesten Fund, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen.
Jetzt am späten Nachmittag war der Sturm ein weiteres Mal heftiger geworden. Gewittertürme zogen in einer bedrohlichen grau-schwarzen Wolkenformation aus Richtung Nord-Ost kommend zu uns heran. Wenn sich die Sonne einmal zwischen zwei Wolkenbergen blicken ließ, leuchtete sie die dunklen Gebilde gespenstisch an und gab ihnen einen orange-gelben Unterton.
Das laute Dröhnen eines Truckmotors näherte sich vom Eingang des Ausgrabungsgeländes.
Durch das Fenster des Bürocontainers sah ich im strömenden Regen einen leuchtendroten Truck mit einem langen, leeren Anhänger sich der Rampe hinab zum Lager nähern.
»Aye!« Das war sicher kein Armee-Fahrzeug. Johns Männer hatten wenigstens in diesem Fall einen guten Fang gemacht. Der Peterbilt mit seiner großen Schlafkabine sah unter seiner Schlammschicht noch recht neu aus und die verchromten, mächtigen Auspuffrohre sowie die Ölkühler funkelten selbst bei diesem Wetter noch mit den aufzuckenden Blitzen um die Wette. Mit einem letzten Aufheulen rauschte der Truck durch den Regen die Rampe hinunter.
Sinistra reichte mir einen heißen Kakao, und ich beschloss mit einem leichten Bedauern, ihn diesmal nicht mit einen Schuss MacAllons zu verfeinern. Mein kleiner Vorrat näherte sich bedenklich dem Ende und ich sah keine Gelegenheit, ihn in nächster Zeit auf meinem Hotelzimmer wieder aufzufüllen.
Mit gerunzelter Stirn lehnte sie an der Wand neben dem Fenster und sah auf die aufgetürmten, rasend schnell vorbeiziehenden Wolken.
»Wenn der Sturm tatsächlich direkt über uns wegziehen sollte, kann uns unter Umständen auch das unterirdische Lager nicht schützen, Doktor. Im Zentrum des Hurrikan herrscht ein solcher Unterdruck, dass er die verfügbare Luft sofort aus dem Lager saugen und wir ersticken würden.«
Karen sah mich nachdenklich an. »Können wir von innen versuchen, das Tor zu schließen, Don?«
Sie humpelte zurück zum Stuhl und setzte sich mit zusammengebissenen Zähnen. Ihr Fußgelenk hatte sich gebessert, wenngleich sie immer noch nicht richtig gehen konnte.
»Ohne den Schlüssel würde ich das nicht versuchen wollen, selbst wenn wir inzwischen wüssten, wie wir den Eingang schließen sollten.«
Ich sah in Gedanken versunken aus dem Fenster des Bürocontainers.
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