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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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und …«
    »Aber niemand sonst.«
    »Was?«
    »Sonst kommt mir niemand ins Labor.«
    »Aber die Reporter der großen Zeitungen, die Berichterstatter des Präsidenten und des Weißen Hauses müssen doch auch …«
    »Nein. Nur er allein.«
     
    Alicia wußte nicht, warum, aber sie spürte, wie ihre Beliebtheit in den eigenen Reihen wuchs. Die kritischen Stimmen waren leiser geworden. Brookhaven hatte aufgehört, aus dem Hinterhalt mit ›inoffiziellen‹ Bemerkungen zu schießen. Man hatte dort mit seiner eigenen Kugel alle Hände voll zu tun und war, wie man der Presse bekanntgab, »dabei, eine eingehende Studie der ›Kosmo-Metrie‹ einzuleiten.« Der häßliche Ausdruck Kosmo-Metrie bürgerte sich sofort ein. Irgendein UCI-Vertreter hatte den amerikanischen Medien den Namen ›Cosm‹ verraten, und mittlerweile bezeichneten Brookhavens Sprecher auch die dortige Kugel so – die wissenschaftliche Fachliteratur hatte den Namen freilich noch nicht übernommen. Im Netz war das anders; dort fanden sich Hunderte von theoretischen Beiträgen, aber Alicia loggte sich schon gar nicht mehr ein.
    In einigen Lagern, die eigentlich weit vom Schuß waren, erhoffte man sich von den Kugeln bereits eine Fülle von neuen Möglichkeiten. Seit etwa zehn Jahren wurden infolge der wachsenden Finanzprobleme der Vereinigten Staaten und Europas zunehmend nur noch Mittel für Projekte im Bereich der angewandten Physik genehmigt. Aber auf welches Pferd sollte der Staat sein Geld denn nun setzen? Um das herauszufinden, gründete man in bewährter Manier einen Ausschuß, besetzte ihn mit angesehenen Fachleuten und gab ihm den Auftrag, die vielversprechendsten Forschungsgebiete auszuwählen. Ältere Wissenschaftler neigten jedoch dazu, nur so weit in die Zukunft zu sehen, wie die eigene Karriere voraussichtlich reichen würde, und bevorzugten daher Projekte, die sich rasch auszahlten. Darunter litt natürlich die physikalische Grundlagenforschung, auch wenn alle Bürokraten behaupteten, der Mitteleinsatz würde nur schärfer konzentriert. Wenn man ein Messer schärfte, überlegte Alicia, wurde es unweigerlich schmaler. Auf einigen Gebieten waren die Mittel offenbar so scharf konzentriert worden, daß nichts mehr übrig blieb.
    Der Cosm gehörte ohne Zweifel in die Grundlagenforschung, es gab keinen denkbaren Verwendungszweck dafür. Das hinderte die Zeitungsschreiber freilich nicht daran, bereits über Möglichkeiten zu spekulieren, die Energiereserven anderer Universen anzuzapfen. Und wie Max prophezeit hatte, waren ihre Kollegen im Bereich der Kern- und der Elementarteilchenphysik begeistert, plötzlich an Objekten von der Größe eines Basketballs die Quantengravitation untersuchen zu können.
    So richtig kam Alicia der Umschwung erst zu Bewußtsein, als jemand eine Karte mit einem Zitat von T. S. Eliot unter der Tür zum Observatorium durchschob: »Der Nobelpreis ist die Fahrkarte zum Begräbnis. Kein Nobelpreisträger hat noch irgend etwas geleistet, nachdem er ihn bekommen hatte.«
    »Hmm«, sagte sie zu Max. »Wie subtil.«
    »Ich wette, das kommt von einem Kollegen, der Sie bei der schwedischen Akademie nominiert hat.«
    Sie blinzelte überrascht. »Es gibt Nominierungen?«
    »Die Akademie hat es nicht gern, wenn die Nominatoren etwas davon verlauten lassen, schon gar nicht gegenüber den Nominierten. Das ist ein dezenter Hinweis.«
    »Aber vollkommen verfrüht. Wir haben einen einzigen Aufsatz veröffentlicht und noch nicht einmal unsere Daten geordnet …«
    »Sie kriegen ihn ja auch noch nicht gleich. Aber Sie stehen auf der Liste.«
    »Unsinn.«
    Es gab zwar mehrere Nobelpreisträger an der UCI, aber über den Auswahlprozeß hatte Alicia sich bisher keine Gedanken gemacht. Die akademische Welt erstickte an Leuten, die einen Nobelpreis zwar verdient, aber nicht bekommen hatten. Sie fand, das Nobelpreissystem verzerre mit diesem alljährlichen Pferderennen das Erscheinungsbild der Naturwissenschaften. Anders als die Kunst, wo der einzelne mit seinem individuellen Stil alles dominieren konnte, bauten die Naturwissenschaften in der Regel auf vielen kleinen, aber mit großem Fleiß erzielten Leistungen auf. Die großen Geister legten neue Theorien zur Schwerkraft oder zur Evolution vor, aber daß sie damit auf festem Boden standen, verdankten sie dem Fußvolk, das die Konstanten maß,jede Konsequenz bis ins letzte berechnete oder, stets auf der Suche nach einem winzigen Fingerzeig, der verriet, daß die derzeit geltenden Vorstellungen

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