Cosm
besänftigte die Gemüter, indem er nachwies, daß die kosmischen Strahlen, die unsere Atmosphäre durchdringen nach unzähligen Kollisionen längst weit extremere Bedingungen geschaffen hatten, als sie im RHIC zu erwarten waren.
Die Tatsache, daß wir eben nicht alle zwei Monate miterlebten, wie durch kosmische Strahlung exotische Materie entstand, ließ den Schluß zu, daß RHIC keine Gefahr darstellte.
Na schön, dachte ich, aber wie wäre es mit einem noch weit exotischeren Zufallsprodukt?
Die ganze Geschichte ist natürlich unglaublich weit hergeholt. Man muß bedenken, daß die Energie, mit der RHIC arbeitet, verglichen mit der Energiedichte zu Beginn des Universums lächerlich gering ist. Nur wenn quantenmechanisch alles ganz exakt abläuft, läßt sich diese Kluft überbrücken. Die erforderlichen Gleichungen können wir allerdings nicht aufstellen. Dazu reicht unser Verständnis bei weitem nicht aus. Außerdem sind unsere Vorstellungen von einer besseren Theorie der Quantenmechanik noch so unvollkommen, daß wir nur zu äußerst vagen Aussagen imstande sind. Es wäre durchaus denkbar, daß eine solide Theorie alle Visionen in diesem Buch für null und nichtig erklärt.
Doch Visionen regen die Phantasie an. Nach Abschluß der Planungen hatte ich einen für meine Begriffe recht abgerundeten Handlungsentwurf stehen, dennoch schob ich die eigentliche Schreibarbeit noch auf. Ich hatte andere Verpflichtungen, und andere Romane verlangten, geschrieben zu werden. Anfang 1996 wies mich Arthur C. Clarke auf einen bemerkenswerten Aufsatz von Edward Harrison, einem bekannten Kosmologen an der University of Massachusetts hin. Harrison hatte den gleichen Gedankengang, den ich eher ansatzweise am MIT entwickelt hatte, sehr viel besser dargestellt. Im Quarterly Journal of the Royal Astronomical Society , Volume 36, pp. 193-203 ist das Konzept der natürlichen Selektion von Universen mit bewundernswerter Eleganz beschrieben.
Harrison zitiert Jesaja 45:18, wo es heißt, der ›Herr … hat sie nicht als Wüste geschaffen, er hat sie zum Wohnen gemacht‹, und geht davon aus, daß viele Menschen sich dieser Vision ›der Vorstellung eines [einzigen] Höchsten Wesens‹ gern anschließen würden, ›schon weil Ockhams Skalpell sie nahelegt‹. Nach Harrisons Konzeption genügt es jedoch, wenn dieses einzige Wesen ein Großvateruniversum erschafft, dessen Fundamentalkonstanten mit der Entstehung von Leben halbwegs vereinbar sind. Damit ist der Ball ins Rollen gebracht. Sobald sich die Intelligenz entwickelt, übernimmt sie die Führung und schafft, wie sollte es anderes sein, zunächst einmal Unruhe. Harrison verweist auf Olaf Stapledon. In seinem Klassiker Star Maker erfindet ein höheres Wesen unentwegt immer komplexere Universen, aber kein einziges, das mit der Fähigkeit zur Selbstreproduktion ausgestattet wäre. Dabei kann nur diese Fähigkeit erklären, warum wir, die spätere Generation, in einem Universum leben, das so wunderbar auf die Produktion von Wesen eingestellt ist, die mindestens so schlau sind wie wir. Im folgenden stellt Harrison noch eine Überlegung in den Raum: Die rätselhafte Fähigkeit des Menschen, sein Universum zu begreifen, sei vielleicht darauf zurückzuführen, daß dieses von Wesen geschaffen wurde, die eine gewisse Ähnlichkeit mit uns hätten. Nur deshalb seien die Fundamentalkonstanten, die wir vorfänden, so fein auf uns abgestimmt. In diesem Sinne wären wir tatsächlich nach Seinem (oder Ihrem) Bilde geschaffen.
Ich liebe kühne Ideen, und einige davon konnte ich in diesem Roman verwerten. Außerdem spielt er in einer Umgebung, die mir seit langem am Herzen liegt: Er stellt die Wissenschaftler nämlich bei der Arbeit und damit so dar, wie sie wirklich sind. Außer im Kriminal- und im Spionageroman ist die Literatur nur selten bemüht, Menschen bei der Arbeit zu zeigen, obwohl diese doch ein ganz zentraler Bestandteil des Lebens ist.
Ich kann nur hoffen, daß es mir gelungen ist, dem Leser nicht nur intellektuelle Anregung zu bieten, sondern ihm auch einige Aspekte des Unternehmens Wissenschaft und seiner Vertreter ein wenig näherzubringen. Die Hauptfiguren sind frei erfunden. Für einige Nebenfiguren habe ich die Namen lebender Personen verwendet, um das Ganze authentischer zu gestalten.
All jenen, die sich weiter mit den hier dargestellten Theorien etwas näher beschäftigen wollen, empfehle ich »Is it Possible to Create a Universe in the Laboratory by Quantum Tunneling?« von
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