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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Beschreibung erst dann einen physikalischen Sinn hat, wenn man sich vorher darüber klar geworden ist, was hier unter ›Zeit‹ verstanden wird.« 2
    Indem Einstein die Spezielle Relativitätstheorie entwickelt, vermag er gegenüber jeder landläufigen und alltagssprachlichen Relativismusvermutung und gerade im Gegensatz zu dieser für die Physik die Relativität der Erscheinungen und die Relativität der Positionen der Messenden aufzuheben, indem er sie systematisch einbezieht .
    Durch die Ergebnisse der Speziellen Relativitätstheorie ist es nun denkbar, daß jeder Beobachter der Lichtfortpflanzung nach allen Richtungen hin die gleiche Geschwindigkeit, somit dem Licht hinsichtlich seiner Geschwindigkeit also Absolutheit relativ auf jedes materielle System zuerkennen kann. So ist das Zeitmaß zwar auf jeden möglichen Ort eines Beobachters hin ›relativiert‹, zugleich aber eben genau diese Maßeinheit von jedem dieser Orte unabhängig geworden.
    Die Gemeinschaft der physikalisch erkennenden Subjekte hat damit hier gerade einen Einheitspunkt objektiver Erkenntnis gefunden. Es entsteht nun eine Gemeinschaft von Beziehungen, in die kein Undefiniertes – relativistischer Willkür zugängliches – Element mehr eingeht und in der somit jeder mögliche Ort eines Beobachters prinzipiell erfaßt ist. Es ist also eine neue Art von Absolutheit in der Bestimmung der physikalischen Welt entstanden. So ist hier gerade den Forderungen nach Objektivität von Natur(-gesetzlichkeit) als universaler Vollziehbarkeit der Meßbedingungen erst jetzt entsprochen.
    Trotzdem hat Einsteins Theorie enorme Auswirkungen auf das von Orientierungsängsten geschüttelte moderne Bewußtsein. Jetzt scheint nämlich für das populäre Denken wissenschaftlich bewiesen‹, daß ›alles relativ‹ ist und daß nichts mehr an gesicherter Wahrheit zwischen Himmel und Erde existiert. Die Formel E = m • c 2 – eher eine (für die Kernspaltung allerdings wesentliche) Anmerkung in Einsteins Relativitätstheorie – erscheint als letzter magischer Beweis absoluter Ungesichertheit aller Standpunkte.
    Der auch durch die Massenmedien bekannte Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend setzt etwa begründungslos erkenntnistheoretischen Relativismus und die physikalische Relativitätstheorie hinsichtlich ihrer Bedeutung ineins.
     
    »Die Subjektivität tritt hervor, sobald Teilnehmer verschiedener Traditionen einander gegenübertreten. Konflikte dieser Art zwingen uns, den Inhalt von Bewertungen genauso zu relativieren, wie Physiker den Inhalt der einfachsten Sätze über Raum und Zeit nach Entdeckung der Abhängigkeit aller Raum-Zeit-Angaben vom Koordinatensystem relativieren mußten (…).« 3 Deshalb kann Feyerabend dann im Hinblick auf Wertmaßstäbe und Moral schreiben, daß ›anything goes‹.
    Obwohl diese Auffassung – wie eben gezeigt – unsinnig ist, klingt sie für viele überzeugend. Dies kommt auch deshalb zustande, weil Einsteins spätere Allgemeine Relativitäts-Theorie von 1915 enorme Auswirkungen auf die moderne physikalische Kosmologie hat. Durch sie werden ›Urknall‹ und ›Ausdehnung des Kosmos‹ prinzipiell denkbar.
    Einstein setzt zwar noch eine ›kosmologische Konstante‹ in sein Theoriegebäude ein, um ein ›ewiges‹ stationäres Weltall denken zu können. Aber der Damm ist gebrochen und die Fluten der Vorstellung eines schon im Ursprung mobilen Kosmos, einer universalen Evolution aller Wirklichkeit beginnen in das moderne Weltbild zu strömen.
    Als dann in den zwanziger Jahren Edwin Hubble 4 aufweisen kann, daß die Galaxien weitentfernte Sternensysteme sind, die sich voneinander fortbewegen, gelangt man über den Gedanken der Ausdehnung des Weltalls zu dem eines vorhergegangenen ›dichteren‹ und ›dichtesten‹ Zustandes des Kosmos, der sich im Zustand einer Explosion zu befinden scheint und dessen Alter zwischen zehn und zwanzig Milliarden Jahre seit dem ›Urknall‹ geschätzt wird. Das Weltall dehnt sich aus und war früher heißer und dichter. Bis in die zeitlichen Dimensionen von bis zu 10 -43 Sekunden nach dem ›Big Bang‹ versucht die Physik die ersten Zustände des Weltalls mathematisch zu beschreiben. 5
    Mit dieser Urknall-Theorie und dem scheinbar daraus folgenden Gedanken einer schier universalen Evolution aller Wirklichkeit ist ein Orientierungsproblem verschärft, das die Menschen seit dem 15. Jahrhundert zunehmend beunruhigt. Es ist das Problem, daß es keine festen Maßstäbe mehr zu geben scheint

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