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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Seite. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich weiß nicht, nur so ein Gefühl … wie ein Kribbeln, wenn ich so mache.« Er fuhr mit der Hand dicht an der Oberfläche entlang.
    Sie schob die rechte Hand zwischen die Pole des großen Magneten, bewegte sie langsam hin und her und zog sie wieder zurück. Dabei spürte sie tatsächlicheinen leichten Widerstand. »Das war mir bisher nicht aufgefallen.«
    »Vielleicht ist es neu.«
    »Trotzdem hätte ich es spüren müssen.«
    »Wann hatten Sie die Hand zum letzten Mal hier drin?«
    Das war tatsächlich mindestens eine Woche her. Sie hatte sich gehütet, ging ihr plötzlich auf, diesem seltsamen Gebilde zu nahe zu kommen. Auch Brad und Zak arbeiteten nur mit Ferndiagnostiken und ließen die Photodetektoren und die elektronischen Meßgeräte nach dem Aufbau möglichst unberührt. Kontrollierte Versuchsbedingungen sorgten für eine gewisse Distanz. Hatten sie diese kleine Besonderheit denn wirklich alle übersehen?
    Sie runzelte die Stirn. Wenn sich das Ding veränderte, wirkte sich das womöglich auch auf ihre Messungen aus. »Die hohe Temperatur haben wir erst Wochen nach den ersten UV-Messungen ermittelt.«
    Max sah sie verdutzt an. »Ja?«
    »Wenn sie nun vorher nicht dagewesen wäre?«
    Er grinste. »Alle Experimentalphysiker nehmen es übel, wenn ihre Versuchsobjekte nicht stillhalten. Aber die Welt ist nun einmal in ständiger Bewegung.«
    Während sie noch über diese Bemerkung nachdachte, ging er zur Tür und rief ihr über die Schulter hinweg zu: »Ich kann in der Bibliothek am besten nachdenken.«
    »Ich im Labor.«
    »Gut. Dann sehen wir uns später in Ihrem Büro, okay?«
    Auf diesen Ausgang war sie nicht gefaßt: das war ja beinahe eine Abfuhr. Verärgert machte sie die Runde durch ihr Labor, räumte Instrumente weg, die irgend jemand einfach hatte fallen lassen, und säuberte die Arbeitsflächen. Jeder Handgriff war mechanisch – Ordnung als Therapie.
    Max hatte sich wie ein typischer Theoretiker benommen. Experimentalphysiker fühlten sich eher der Natur verbunden, während Theoretiker reine Pflastertreter und Stadtmenschen waren. Dazu paßte auch seine Kleidung, klassisch geschnitten, hauteng und zugeknöpft. (Wie war das bei ihr? Zu Hause kam sie mit knapper Not vielleicht einmal im Monat aus ihren Jeans heraus. Ohne Jill als Modepolizei hätte sie schon längst das Handtuch geworfen und sich nur noch deshalb etwas angezogen, weil Nacktheit strafbar war.) Theoretiker machten sich, ähnlich wie Musikgenies, schon in jungen Jahren einen Namen – sie waren dafür bekannt, daß sie an der Tafel wahre Zauberkunststücke vollbrachten, und daß sie im Laufe ihrer Karriere die Projektgruppen schneller wechselten als Filmstars ihre Ehepartner. Experimentalphysiker waren eher monogam und drängten sich jahrelang mit dem gleichen Team um ihre Detektoren. Sie war da eine Ausnahme; eine unverbesserliche Einzelgängerin.
    In der theoretischen Elementarteilchenphysik genossen die Feldtheoretiker, die mit der Entwicklung immer neuer Modelle mehr Ordnung in den Teilchenzoo zu bringen suchten, das höchste Ansehen. Gleich dahinter kamen die noch abstrakteren Mathematiker, deren Arbeiten sie persönlich freilich oft genug recht verworren fand, und bei denen sie die Intuition, den sicheren, physikalischen Instinkt vermißte. Eine Stufe tiefer standen die Phänomenologen, diejenigen Physiker also, die sich bemühten, die vorhandenen Theorien mit dem wirren Datendschungel der Experimentalphysiker in Einklang zu bringen. Zu diesem Stamm gehörte Max, soweit sie das beurteilen konnte.
    Normalerweise wollten Experimentalphysiker und Theoretiker nichts miteinander zu tun haben. »Ein Theoretiker glaubt alles, was auf Millimeterpapier steht«, wurde gern gelästert. Wenn ein Experiment Resultate erbrachte, die einer bestehenden Theorie widersprachen, dann vermutete der Experimentalphysikerals erstes einen Fehler im Experiment, während der Theoretiker die Theorie verdächtigte. Aber das galt nur, solange jede Gruppe unter sich blieb; kaum waren Angehörige beider Stämme in einem Raum versammelt, äußerten sie sich genau entgegengesetzt.
    Auch sonst konnte man feste Verhaltensmuster beobachten. Zum Beispiel heirateten Töchter von Experimentalphysikern oft Theoretiker. Es gab keine Erklärung dafür, aber man fand es offenbar auch nicht weiter bemerkenswert.
    Alicia schüttelte den Kopf, wandte sich wieder der Kugel zu und schaltete die Laborbeleuchtung aus. Plötzlich war sie ganz

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