Cosm
leben nicht mehr in einer Informationsgesellschaft – wir ertrinken in Informationen – wir leben in einer Aufmerksamkeitsgesellschaft. Darum tobt heute der Konkurrenzkampf. Ich habe einen Zipfel der öffentlichen Aufmerksamkeit erwischt, meine Artikel werden gelesen. Das heißt, ich kenne den Laden. Und sobald nur einer meiner geschätzten Kollegen wittert, was du entdeckt hast, fallen sie alle über dich her.«
»Ich will gar keine Aufmerksamkeit.«
»Du nicht, aber sie . Du bist nur Mittel zum Zweck.«
»Jetzt übertreibst du.«
»Ich möchte, daß du einen guten Anwalt hast. Ich würde nämlich nicht ausschließen, daß die UCI dich haftbar macht. Mit den Ärzten im Eizellenskandal ist man genauso verfahren, obwohl ihnen letztlich niemand etwas nachweisen konnte.«
Jetzt war ihr alles klar; er überfiel sie nach klassischer Männerart mit einer Lösung, bevor sie überhaupt wußte, was sie wollte. »Okay, sag diesem Mr. Ross, er soll mich anrufen.« Ein probater Spruch, um sich aus der Affäre zu ziehen.
Er nickte zufrieden. »Danach können wir uns darüber unterhalten, was das alles zu bedeuten hat. Und wie mein kleines Mädchen aus dem Schlamassel wieder rauskommt.«
»Das machen wir«, sagte sie strahlend, und er lächelte und gab ihr einen Kuß. Sie machten kehrt und gingen nach Süden zurück. Ihr Vater bewunderte die goldene Küste, die irgendwo im blauen Dunst verschwand, und schwärmte von der unbeschwerten Schönheit des Südens, doch sie sah bereits neues Unheil nahen. Max kam ihnen, eifrig winkend und ohne die Reize der Landschaft auch nur eines Blickes zu würdigen, über den betonierten Fußweg entgegengeeilt.
»Hallo, ich möchte nicht stören«, rief er schon von ferne. »Ich wollte mir die alten Aufzeichnungen noch einmal ansehen, habe Sie aber in der UCI nicht mehr angetroffen. Und Ihr Hausverwalter sagte, Sie seien spazierengegangen. «
»Haben Sie in den Laborbüchern nachgesehen?« fragte sie. Sein plötzliches Auftauchen hatte sie aus dem Konzept gebracht.
»Ich habe nur wenige gefunden. Und in denen steht, soweit ich sehen konnte, nicht allzu viel über Ihre Arbeit.«
»Die anderen habe ich mit in meine Wohnung genommen«, erklärte sie. »Ach, Dad, das ist Max Jalon.«
»Ich bin Tom.« Sie schüttelten sich etwas zu förmlich die Hand und murmelten die üblichen Floskeln, während sie sich gegenseitig taxierten. Max bewunderte Toms Anzug und ließ damit zum ersten Mal erkennen, daß er so etwas wie Modebewußtsein besaß, und Tom quittierte das Kompliment, indem er skeptisch den Mund verzog. Wollte Max sich etwa einschmeicheln? Beeindruckte ihn Toms bescheidene Berühmtheit? Eine verwirrende Vorstellung.
Auch auf dem Rückweg in die Stadt war Max bemüht, mit freundlichen Bemerkungen das Gespräch in Gang zu halten. Während über ihnen die Möwen den prachtvollen Sonnenuntergang bekreischten, blieben sie stehen, bis sich die Sonnenscheibe zu einem orangeroten Oval zusammengeschoben hatte. Max redete ununterbrochen. Nun erklärte er in ermüdender Ausführlichkeit, wie er es geschafft habe, das Labor zu durchsuchen, obwohl der Sicherheitsdienst der UCI dabei gewesen sei, irgendwelche Messungen vorzunehmen.
»Was denn für Messungen? Mir hat man gesagt, der Raum würde lediglich versiegelt.«
»Ich durfte erst hinein, als der Boss vorbeikam und sein Okay gab. Und dann hatte ich den Eindruck, als würden sie auf die Festplatten Ihrer Diagnostikcomputer zugreifen.«
»Um sich meine Daten zu holen!«
»Allem Anschein nach ja. Ich habe auch nachgefragt, aber keine Antwort bekommen. Man hat mich kurz abgefertigt und an eine Stelle auf der anderen Campus-Seite verwiesen. Da bin ich lieber zu Ihnen gekommen.«
Alicia nickte verlegen. Sie war einfach weggegangen, ohne daran zu denken, daß Max noch in der Bibliothek saß und arbeitete. Ihr Vater mischte sich mit fast schon verletzender Höflichkeit ein: »Mr. Jalon, dürfte ich erfahren, welche Rolle Sie in dieser Sache spielen?«
»Ich bin mit Ihrer Tochter befreundet.«
»Inwiefern befreundet?«
»Wir sind Kollegen.« Max war sichtlich überrascht.
»Ich verstehe.« Alicia kannte diese feine Ironie; Tom Butterworth pflegte sie in öffentlichen Diskussionen als Waffe einzusetzen. »Dann begreifen Sie sicher, daß über diese Dinge möglichst wenig gesprochen werden sollte.«
»Aber klar doch. Ich muß nur wissen …«
»Ist es nicht ganz allein ihre Sache, wem sie ihre Ergebnisse zeigt?« bemerkte Tom sehr kühl.
Alicia
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