Cosm
griff ein. »Natürlich, Dad, aber Max ist einer meiner wenigen Vertrauten.«
Wie hatte sich die Situation nur so schnell zuspitzen können? Sie überlegte angestrengt, während sie mit den beiden über eine Abkürzung am Kunstmuseum vorbei und über den Coast Highway ihrer Wohnung zustrebte. Das tägliche Verkehrschaos begann sich gerade erst zu entwickeln, aber schon kribbelten ihr die Abgase in der Nase. Sie beobachtete die Miene ihres Vaters, und als sie den Lower Cliff Drive erreichten, wußte sie Bescheid: er hielt Max für ihren Liebhaber. Eigentlich war es lächerlich, aber sie hätte trotzdem gern gewußt, was ihn auf diese Idee gebracht hatte. Oder störte er sich gar daran, daß der Liebhaber ein Weißer war? Sie überlegte, ja, tatsächlich – mit Anfang Zwanzig war sie zwar mit etwa einem halben Dutzend Weißen oder Asiaten ausgegangen, aber davon hatte ihr Vater nichts gewußt. Sie hatten sich damals nur gestritten und deshalb Abstand voneinander gehalten; und dann kam Maria. Der letztepotentielle Liebhaber, den er kennengelernt hatte, war ein Schwarzer gewesen – reiner Zufall, keine Taktik – und das war sechs Jahre her. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Man stelle sich vor!
Als sie ihre Wohnung betraten, sah Dad sich sichtlich befremdet um. Er war ein Ordnungsfanatiker, während sie alles herumliegen ließ; wieder einmal hatte die Vererbung nicht funktioniert. Alicia ging in die Küche, öffnete ihren im Stil von 1960 gehaltenen Backofen und holte sechs dicke Laborbücher mit eingeklebten Ausdrucken heraus. »Im Backofen?« fragte Dad.
»Backen und Kochen sind nicht unbedingt meine Stärke.«
»Aber da würde man ziemlich schnell nachsehen«, warnte Tom Butterworth.
»Wer ist ›man‹?«
Er verzog keine Miene. »Die Leute von der UCI, sobald sie die richterliche Genehmigung bekommen, in deiner Wohnung nach Unterlagen zu suchen, die du ihnen vorenthalten hast.«
»Das würde die UCI niemals tun«, protestierte sie und ließ sich auf die Wohnzimmercouch fallen.
»Behördenanwälte sollte man nicht unterschätzen«, sagte Tom.
»Äh … kann ich die über Nacht behalten?« fragte Max so leise, als ginge er auf Zehenspitzen.
»Ich gebe sie nur ungern aus der Hand«, sagte Alicia.
»Ich möchte alle Spektren zurückverfolgen, die Sie gemessen haben – und den genauen Beobachtungszeitpunkt feststellen.« Max setzte sich und stapelte die klobigen Notizbücher auf ihren dänischen Couchtisch. Drei fielen prompt auf den Teppich, der seiner Empörung mit einer Staubwolke Ausdruck verlieh.
»Wozu?« fragte sie.
»Mir ist etwas eingefallen, und jetzt möchte ich auf Datenjagd gehen.«
»Das können Sie auch hier tun«, sagte sie.
»Sieht aber nach einer Menge Arbeit aus«, gab er zu bedenken. »Mit ein oder zwei Stunden ist es sicher nicht getan.«
»Dann bleiben Sie eben über Nacht.« Sie wollte ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen, vielleicht kam ja etwas dabei heraus. »Dann können sie morgen hier weitermachen. Ich will die Bücher nämlich noch nicht in die UCI zurückbringen.«
Sie sah ihren Vater an und war überrascht. Seine Züge hatten sich verhärtet, und seine Augen waren schmal geworden. »Wie kannst du einen Außenstehenden in möglicherweise illegale Machenschaften verwickeln?«
»Illegal?«
»Zumindest Grund für eine Entlassung.«
»Was? Die können mich nicht rauswerfen …«
»Und ob sie das können! Glaubst du vielleicht, ein Professor wird nur wegen Unzucht mit Studenten gefeuert?«
»In den Geisteswissenschaften nicht einmal dafür«, sagte sie, um die gereizte Atmosphäre ein wenig zu entschärfen.
»Noch bist du nicht fest angestellt, Honey.«
»Nein, aber …«
Max stand auf. »Hören Sie, ich kann auch morgen wiederkommen …«
»Nein, bleiben Sie nur.« Alicia stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Als das Schweigen unerträglich wurde, trat sie ans Fenster, stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete die Autoströme auf dem Coast Highway. Nach einer Weile drehte sie sich um, ging auf die Küche zu, fuhr plötzlich zu ihrem Vater herum und sagte: »Du willst also nicht, daß er hier übernachtet?«
»Nein, nein, es ist doch nur …«
»Es ist genau das! Und ich bin einunddreißig Jahre alt.«
»Wahrhaftig nicht, ich darf doch bitten.« Das klang sehr förmlich, der Diskussionsredner kam wieder zumVorschein. »Ich finde nur, du solltest die rechtliche Seite nicht außer acht lassen. Wenn die UCI den Verdacht hat, daß du, und
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