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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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immer es ist, der ist es halt.«
    Eric stimmte dem zu, was immer es heißen sollte. Sie bewegten sich zwischen Reihen abholbereiter Mülltonnen die Straße hinunter, vorbei an dem unheimlichen Hotel und der Synagoge für Schauspieler. Schlammiges Wasser stand auf der Straße, wurde zunehmend tiefer, jetzt schon acht, zehn Zentimeter tief, ein Überrest des Wasserrohrbruchs früher am Tag. Arbeiter in neonfarbenen Westen und hohen Gummistiefeln waren immer noch in dem Gebiet beschäftigt, unter Flutlicht, und Torval stakste durch Generationen von Modder, ein Platschen bei jedem bitteren Schritt, bis der Fluss wieder zu zwei Zentimetern stehendem Wasser abgeschwollen war.
    Jetzt fuhren sie auf Polizeiabsperrungen zu, die den Zugang zur Ninth Avenue blockierten. Zuerst glaubte Torval, das habe mit den überschwemmten Straßen zu tun. Aber auf der anderen Seite der Avenue waren keine Aufräummannschaften zu sehen. Dann dachte er, die Präsidentenkolonne sei auf dem Weg nach Süden, zu irgendeinem offiziellen Empfang, nachdem sie den Midtown-Verkehr endlich abgeschüttelt hatte. Aber in der Ferne war Musik zu hören, Leute mit Kopfhörern begannen zusammenzulaufen, zu viele und zu jung für einen durchfahrenden Präsidenten. Schließlich sprach er mit einem der Polizisten an den Absperrungen.
    Ein Begräbniszug.
    Eric stieg aus und stellte sich vor den Fahrradladen an der Ecke, Torval pflanzte sich in der Nähe auf. Durch die zusammenströmende Menge näherte sich ein riesenhafter Mann, breit, fleischig, feierlich, in hellen Leinenhosen und einem schwarzen ärmellosen Lederhemd mit Platinaccessoires hier und da. Das war Kozmo Thomas, Manager von einem Dutzend Rapper und früherer Teilhaber Erics an einem Stall Rennpferde.
    Händeschütteln und halbe Umarmung.
    »Warum sind wir hier?«
    »Noch nicht gehört?«
    Eric sagte: »Was?«
    Kozmo schlug sich ehrfürchtig an die Brust.
    »Brutha Fez.«
    »Was?«
    »Tot.«
    »Nein. Was. Kann nicht sein.«
    »Tot. Gestorben. Heute früh.«
    »Und ich weiß das nicht?«
    »Beerdigung läuft schon den ganzen Tag. Die Familie will der Stadt eine Chance geben, ihn zu würdigen. Die Plattenfirma will das zu einem Event nutzen. Groß und laut. Straße um Straße. Die ganze Nacht durch.«
    »Und ich weiß das nicht? Wie kann das sein? Ich liebe seine Musik. Ich habe seine Musik in meinem Fahrstuhl. Ich kenne den Mann.«
    Er kannte den Mann. Die Trauer, die Tonfülle dieser Bemerkung fanden ein Echo in der Musik, dem qawwali- Vorbild aus frommen Rhythmen und Improvisationen, das über tausend Jahre alt war und jetzt lauter wurde, als der Trauerzug die Avenue herunterkam, die von unbefugtem Verkehr und geparkten Autos freigeräumt worden war.
    »Was, ist er erschossen worden?«
    Zuerst die Motorradeskorte, Stadtpolizei in Keilformation. Zwei private Sicherheitsvans folgten, die einen Streifenwagen flankierten. Es war so absolut klar, wieder mal ein toter Rapper, das Ritual des Rap-Stars, der in knatterndem Kugelhagel brausend untergeht, weil er versäumt hat, irgendeinem launischen Individuum feudalen Tribut zu zollen, in Form von Respekt, Geld oder Frauen. Dies war ganz offensichtlich der Tag, an dem einflussreiche Männer ihr plötzliches, unappetitliches Ende fanden.
    Kozmo schaute scheel drein.
    »Fez hatte seit Jahren Herzprobleme. Seit der Highschool. War bei Spezialisten, war bei Wunderheilern. Hat einfach schlapp gemacht, das Herz. Der ist kein Rowdy irgendwo in ’ner Seitenstraße. Der Mann hat ja nicht einmal ins Röhrchen gepustet, seit er siebzehn war, so ungefähr.«
    Dann kamen die Blumenwagen, zehn an der Zahl, überhäuft mit weißen Rosen, die im Wind raschelten. Der Leichenwagen kam danach, ein offenes Fahrzeug, auf dem Fez feierlich im Sarg lag, leicht schräg aufgerichtet, sodass der Leichnam sichtbar war, überall Affodille, fleischigrosa, die Blumen des Hades, wohin die Seelen der Toten kommen, um ihren letzten Wiesengrund zu finden.
    Die verstärkte Stimme des toten Mannes ertönte von weiter hinten in der Prozession, sang in langsamen, hypnotischen Synkopen, begleitet von Harmonium und Handtrommeln.
    »Hoffe, du bist nicht enttäuscht.«
    »Enttäuscht.«
    »Dass unser Mann hier nicht erschossen wurde. Hoffe, er hat dich nicht im Stich gelassen. Natürlicher Tod. Das ist doch ein klarer Fall von Im-Stich-Lassen.«
    Kozmo stach mit einem Daumen über seine Schulter nach hinten.
    »Was ist mit deiner Stretchlimo passiert? So eine prima Maschine in aller Öffentlichkeit

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