Cosmopolis

klares Gefühl, eine Freude von berauschender Ganzheit: er und sie, der Tote und die einstweilig Lebenden.
    Eine Reihe älterer katholischer Nonnen in vollem Habit betete den Rosenkranz, Lehrerinnen von der Grundschule, die er besucht hatte.
    Seine Stimme wurde immer schneller, in Urdu, dann in verschliffenem Englisch, und sie wurde durchbohrt von den schrillen Schreien einer Chorsängerin. Entrückung, wilde Freudigkeit lag darin und etwas anderes, Unausdrückbares, das ins Leere stürzte. Jegliche Bedeutung war aufgebraucht, bis nichts übrig blieb als charismatische Rede, Wörter, die einander überwucherten, ohne Trommeln oder Klatschen oder die spitzen Schreie der Frau.
    Schließlich versank die Stimme in Schweigen. Die Leute dachten, jetzt sei das Ereignis vorüber. Sie zitterten, ausgelaugt. Erics Genuss am Bankrott schien hier seinen Segen und seinen Echtheitsstempel zu erhalten. Er war entleert, nur eine Ahnung von unvergleichlicher Stille war übrig, von unvermeidlichem Schicksal, das ihm objektiv und frei vorkam.
    Dann dachte er an seine eigene Beerdigung. Er fühlte sich unwürdig und lächerlich. Ganz abgesehen von den Bodyguards, vier gegen drei. Was für Elemente könnte man zusammenstellen, um es mit dem, was hier gerade ablief, aufzunehmen? Wer würde kommen, um ihn aufgebahrt zu sehen? (Aufgebahrt. Einbalsamierter Begriff auf der Suche nach der passenden Leiche.) Männer, die er vernichtet hatte – um ihren Groll zu nähren. Diejenigen, die er wie ein Stück Tapete behandelt hatte – um über ihm zu stehen und sich zu weiden. Er wäre dann der gepuderte Leichnam im Sarkophag, derjenige, den zu verhöhnen sie alle lang genug gelebt hatten.
    Es war entmutigend, an eine solche Kollektion von Trauergästen zu denken. So ein Spektakel wie hier konnte er eindeutig nicht auf die Beine stellen. Und die Beerdigung war noch nicht vorbei.
    Denn jetzt kamen die Derwische, die sich zum leisen Klang einer einzelnen Flöte drehten. Sehnige Männer in Tuniken und langen weiten Röcken, mit hohen, zylindrischen topasfarbenen Kappen. Sie wirbelten herum, sie drehten sich langsam mit ausgebreiteten Armen und leicht schief gehaltenen Köpfen.
    Dann die Stimme von Brutha Fez, heiser und ohne Begleitung, die sich langsam durch einen schlichten Rap schlängelte, den Eric noch nie gehört hatte.
Glaubte, er hätt das System voll durchschaut
Straßenprinz, Autorität auf dem Thron
Doch dann der Geistesblitz der Konvention:
Sag lieber nichts, wenn kein andrer sich traut
    Der junge Breakdancer, der die Gefahren der Straße anzieht, der verhaftet und verprügelt wird, seine Betteltänze auf U-Bahnsteigen, seine Schande Vers um Vers, Frauen in Nylons, schillernd, unerschwinglich, und dann der Augenblick der Enthüllung.
Streifen der Dämmerung, wecke den Osten
Während die Seelen sich auftun und schrein
    Sein Bekenntnis zur Sufi-Tradition, das Bemühen, eine andere Art Schnorrer zu werden, ein Reim-Bettler, der den Rap der Antimaterie singt (O-Ton Fez) und Sprachen und Bräuche lernt, die ihm natürlich erscheinen, nicht verschlossen durch Mysterium und Fremdheit, all das ein Glück, das in der Haut wohnt.
»Go«, endlich, Mensch, zum erhabenen Sein
Schöpf aus dem Quell von Gebeten und Fasten
    Wohlstand, Ehre in hundert Ländern, gepanzerte Wagen und Bodyguards, schillernde Frauen, ja, genau, jetzt überall, ein erneuter Segen des Fleisches, Frauen mit Schleier und Frauen mit Bluejeans, Frauen, die sich an die Bettpfosten klammern, geschminkte Frauen und schlichte, und er sang etwas kummervoll von all dem und von der Stimme in einem visionären Traum, die ihm vom versagenden Herzen erzählte.
Schräg warn die Wände, als er es mir sagte
Eiskalter Splitter der tödlichen Wahrheit
Als flog aus dem Mund mir die klägliche Seele
Zerbräch mir der Goldzahn bis runter zur Wurzel
    Zwanzig Derwische waren auf der Straße, vielleicht waren sie der Archetyp, das frühe, heilige Vorbild der Breakdancer-Schar womöglich, nur aufrecht. Und Fez’ Schlussworte konnten im jungen Tod nichts Schönes finden.
Lasst mich sein, wer ich war
Ungereimter Narr
Der verloren war, aber am Leben
    Musik erfüllte jetzt die Nacht, Uds, Flöten, Zimbeln und Trommeln, und die Tänzer wirbelten gegen den Uhrzeigersinn, mit jeder Drehung schneller. Sie wirbelten aus ihren Körpern heraus, dachte er, auf das Ende allen Besitzes zu.
    Feuriger Chorgesang jetzt.
    Weil Wirbeln alles ist. Wirbeln ist das Drama, alles abzuwerfen. Weil sie sich in die