Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
erster Besuch hier. Die aus soliden Balken gebaute Hütte mit den drei Räumen lag abseits der Überlandstraße etwa zweitausend Meter über dem Meeresspiegel. Eine kurze Wanderung hatte sie zu diesem hoch gelegenen, spektakulären Aussichtspunkt geführt.
»Gehört dir die Hütte?« , fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Sie gehört der Witwe eines Ladenbesitzers im Dorf. Sie hat sie mir letztes Jahr angeboten, als ich zu Besuch hier war. Meine Miete hilft ihr, über die Runden zu kommen, und ich kann all das hier genießen. «
Sie liebte seine ruhige Art. Er erhob nie die Stimme und fluchte nie. Er war einfach ein Mann, der die Vergangenheit liebte. »Hast du gefunden, was du gesucht hast?«
Er zeigte auf den felsigen Boden und die magentarote Erde. »Hier?«
Sie schüttelte den Kopf. »In Asien. «
Er schien ernsthaft über die Frage nachzudenken. Sie ließ ihn in Ruhe nachdenken und sah zu, wie in der Ferne Schnee einen Abhang hinunterrutschte.
»Ich glaube schon« , sagte er.
Seine Bemerkung entlockte ihr ein Lächeln. »Und was hast du erreicht?«
»Ich habe dich kennengelernt. «
Schmeicheleien kamen bei ihr normalerweise nicht an, auch wenn die Männer es immer wieder versuchten. Aber bei Ely war das etwas anderes. »Und abgesehen davon?«
»Ich habe gelernt, dass die Vergangenheit niemals stirbt. «
»Kannst du darüber reden?«
Das Bellen hörte auf, und das leise Rauschen eines fernen Flüsschens drang an ihr Ohr.
»Jetzt noch nicht« , sagte er.
Sie schlang den Arm um ihn, zog ihn an sich und sagte: »Wann immer du so weit bist. «
Die Erinnerung ließ ihre Augen feucht werden. Ely war in so vieler Hinsicht etwas Besonderes gewesen. Sein Tod hatte sie fast so hart getroffen wie damals die Nachricht vom Tod ihres Vaters oder der Tod ihrer Mutter durch eine Krebserkrankung, von der bis dahin niemand etwas gewusst hatte. Es tat so fürchterlich weh. Ihr Herz war zu oft gebrochen.
Sie erblickte das gelbe Scheinwerferpaar eines Bootes, das direkt auf Torcello zuhielt. Bisher waren zwei Wassertaxis gekommen, die Gäste vom Restaurant abholten oder dorthin brachten.
Das Boot konnte ein weiteres Taxi sein.
Es war ihr völlig ernst mit dem, was sie vorhin zu Malone gesagt hatte. Ely war ermordet worden. Sie besaß keinen Beweis. Nur ihr Bauchgefühl, das sie bisher aber noch nie getäuscht hatte. Thorvaldsen, Gott segne ihn, hatte gespürt, dass sie zu einem Entschluss kommen musste, und hatte ihr deshalb widerspruchslos die Pistolen geschickt und den Stoffbeutel, den sie fest an sich gedrückt hielt. Sie hasste Irina Zovastina, Viktor und alle, die sie so weit gebracht hatten.
Das Boot wurde langsamer und seine Motoren leiser.
Das tief liegende Fahrzeug ähnelte dem Boot, das sie und Malone gemietet hatten. Es hielt direkt auf die Mündung des Kanals zu, und als es näher kam, entdeckte Cassiopeia im bernsteingelben Bootslicht keinen Taxifahrer, sondern Viktor am Ruder.
Er war früh dran.
Das kam ihr gelegen.
Denn sie wollte die Sache unbedingt ohne Malone erledigen.
Unter den erleuchteten, goldenen Kuppeln des Markusdoms schlenderte Stephanie über den Markusplatz. Auf dem berühmten Pflaster standen Tische und Stühle in symmetrischen Reihen, die von einigen kreuz und quer stehenden Tischen durchbrochen waren. Der Platz war deutlich leerer als sonst.
Die Touristen, Stadtführer, Verkäufer, Bettler und Kundenwerber schienen zum Teil vor dem schlechten Wetter geflüchtet zu sein.
Sie kam an den berühmten bronzenen Fahnenmasten und dem eindrucksvollen Glockenturm vorbei, der jetzt geschlossen war, und nahm im Vorbeigehen den Duft von Fisch mit Pfeffer und einer Note Gewürznelke wahr. Trübe, goldfarbene Lichtpfützen erhellten den Platz. Die Tauben, die tagsüber den Platz bevölkerten, waren verschwunden. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie das Ganze hier sehr romantisch gefunden.
Doch jetzt war sie auf der Hut.
Und bereit loszuschlagen.
Malone suchte in der Menschenmenge nach Stephanie, als die Glocken hoch oben im Glockenturm zehn Uhr schlugen. Von Süden wehte ein Wind heran und wirbelte den Nieselregen auf. Malone war froh über seine Jacke, unter der er eine der Pistolen versteckt trug, die Thorvaldsen Cassiopeia geschickt hatte.
Auf der einen Seite des alten Platzes stand der hell angeleuchtete Dom, auf der anderen ein Museum, und alles strahlte eine Atmosphäre jahrhundertealter Pracht aus. Besucher schoben sich durch die langen Arkaden, und viele von ihnen hielten
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