Cotton Malone 05 - Der Korse
schicken möchte. Im Buch sucht man die richtigen Wörter für die Botschaft und teilt dann dem Empfänger mit einer Zahlenreihe die Seite, die Zeile und die Position des Wortes in der Zeile mit. Die Zahlen sind für sich genommen nutzlos, wenn man nicht das richtige Buch hat.«
Er stellte seinen Rum auf den Tisch, zog ein gefaltetes Blatt Papier aus seiner Hosentasche und strich es auf dem Glastisch glatt. »Dies hier hatte ich Ihnen bei unserem letzten Gespräch gegeben.«
Sein Gefangener besah sich die Seite.
XCV CCXXXVI CXXVIII CXCIV XXXII
IV XXXI XXVI XVIII IX
VII VI X II XI
»Die Zahlen sagen mir nichts«, erklärte der Korse.
Ashby schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie müssen damit aufhören. Sie wissen doch, dass es hier um die Lage des Verstecks von Rommels Gold geht.«
»Lord Ashby. Heute Nacht haben Sie mich mit einem vollständigen Mangel an Respekt behandelt, auch körperlich. Sie haben mich einen Lügner genannt. Sie haben behauptet, dass Gustave Sie angelogen hat. Ja, ich hatte dieses Buch. Aber diese Zahlen haben in Bezug darauf keine Bedeutung. Jetzt fahren wir an einen Ort, den Sie mir unhöflicherweise noch nicht einmal genannt haben. Ihr Rum ist köstlich und die Yacht großartig, aber ich muss darauf bestehen, dass Sie mir erklären, was Sie wollen.«
Sein ganzes Erwachsenenleben lang hatte Ashby nach Schätzen gesucht. Obwohl seine Familie seit Generationen im Finanzwesen tätig war, zog er die Suche nach verlorenen Dingen der Herausforderung vor, einfach nur Geld zu machen. Manchmal entdeckte er die Antworten, die er suchte, durch harte Arbeit. Manchmal lieferten ihm Informanten für teures Geld, was er wissen musste. Manchmal aber stolperte er wie hier einfach über die Lösung.
»Ich wäre mehr als glücklich, Ihnen alles zu erklären.«
7
Dänemark
01.50 Uhr
Henrik Thorvaldsen überprüfte das Magazin und vergewisserte sich, dass die Waffe einsatzbereit war. Zufrieden legte er das Sturmgewehr dann sanft auf den Banketttisch. Er saß im großen Saal des Anwesens, unter der Eichenbalkendecke, umgeben von Rüstungen und Gemälden, die einem den Eindruck eines Adelssitzes vermittelten. Seit beinahe vierhundert Jahren hatten seine Vorfahren an genau demselben Tisch gesessen.
In weniger als drei Tagen war Weihnachten.
Wie lange war es jetzt her – beinahe dreißig Jahre? –, dass Cai auf den Tisch geklettert war?
»Du musst da runter, Cai« , verlangte Thorvaldsens Frau.
Der Junge hüpfte über die lange Platte und streifte mit den offenen Händen über die hohen Lehnen der Stühle zu beiden Seiten. Thorvaldsen sah zu, wie sein Sohn einem vergoldeten Tafelaufsatz in der Mitte des Tischs auswich, weiterrannte und in seine ausgebreiteten Arme sprang.
»Ihr seid beide unmöglich« , sagte Thorvaldsens Frau. »Absolut unmöglich. «
»Lisette, es ist doch Weihnachten. Lass den Jungen spielen. « Er hielt ihn auf seinem Schoß umschlungen. »Er ist doch erst sieben. Und der Tisch steht schon lange hier. «
»Papa, kommt Nisse dieses Jahr?«
Cai liebte den durchtriebenen Kobold, der, wie die Legende ging, graue Wollkleidung, eine Mütze, rote Socken und weiße Holzschuhe trug. Er wohnte auf dem Speicher alter Bauernhäuser und spielte den Leuten gerne Streiche.
»Sicherheitshalber sollten wir etwas Haferbrei da haben. «
Thorvaldsen lächelte. Seine Mutter hatte ihm dieselbe Geschichte erzählt, wie eine Schüssel Haferbrei, die man an Heiligabend draußen hinstellte, dafür sorgte, dass Nisse es mit seinen Streichen nicht zu toll trieb. Natürlich war das gewesen, bevor die Nazis beinahe jeden Thorvaldsen einschließlich seines Vaters ermordet hatten.
»Es wird Haferbrei geben« , sagte Lisette. »Und außerdem Gänsebraten, Rotkohl, Bratkartoffeln und Zimtreispudding. «
»Mit der Zaubermandel?« , fragte Cai, Staunen in der Stimme.
Thorvaldsens Frau strich dem Jungen über das weiche Haar. »Ja, mein Schatz. Mit der Zaubermandel. Und wenn du sie findest, bekommst du etwas geschenkt. «
Lisette und Thorvaldsen sorgten immer gemeinsam dafür, dass Cai die magische Mandel fand. Obwohl er Jude war, waren Thorvaldsens Vater und dessen Frau Christen gewesen, und so hatte das Fest einen Platz in seinem Leben gefunden. Jedes Jahr hatten er und Lisette eine duftende Tanne mit handgefertigtem Holz- und Strohschmuck dekoriert und Cai, wie es die Tradition verlangte, immer erst nach dem Weihnachtsessen an Heiligabend erlaubt, ihr Werk zu sehen. Da hatten sie sich dann alle vor dem
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