Crash: Thriller (German Edition)
Bildschirmrand, dass Michael nicht sehr viel davon lesen konnte. Er sah allerdings genug, um zu erkennen, dass es kein gewöhnliches Programm war. Er war mit den meisten geläufigen Programmiersprachen vertraut – er hatte Java, FORTRAN, C++ und BASIC gelernt, indem er die Computer im Autismuszentrum studiert hatte –, aber der Code, auf den er jetzt schaute, war voller Befehle, die er noch nie gesehen hatte. Er beugte sich vor, um sich die merkwürdigen Operatoren und Variabeln näher anzusehen: qubit, qureg, CNot, Hadamard …
»Was ist das für ein Programm?«, fragte Michael. Während er den Code betrachtete, begann seine Stirn wehzutun. »Was macht es?«
»Bruder Cyrus kann das besser erklären als ich. Er wird morgen früh hier sein, sodass du ihn dann fragen kannst. Aber ich kann dir sagen, was Cyrus mir gesagt hat.« Sie zeigte auf den Bildschirm und den ansteigenden Quellcode. »Das hier ist das Ding, das den Zugang zum Reich des Herrn versperrt. Und du hast den Schlüssel, Michael. Alles, was du zu tun hast, ist, die fehlenden Gleichungen in den Code einzusetzen. Erinnerst du dich an das Buch Jesaja? Ein Knabe wird sie führen …«
Der Schmerz hinter Michaels Stirn wurde heftiger. Es fühlte sich an, als hätte eine Glasscherbe seinen Schädel direkt über seiner linken Augenbraue durchbohrt. Er schaute wieder auf die Zeilen Quelltext und schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich weiß nicht, wie.«
»Denk einfach, es handelte sich um ein Rätsel. Du löst doch gern Rätsel, nicht?«
ACHT
B ruder Cyrus betrachtete voll Staunen den Sonnenaufgang. Er stand oben auf einem Hügel im Bezirk Adraskan, einem einsamen Landstrich im Westen Afghanistans, wo die Second Marine Expeditionary Brigade gegen die Taliban kämpfte und die einzigen Farbflecken inmitten der ausgedörrten, steinigen Landschaft die grünen Felder mit Schlafmohn waren, der für den Heroinhandel angebaut wurde. Es war Niemandsland im wahrsten Sinn des Wortes – Konvois des Marineinfanteriekorps brausten am Tag über die Straßen des Bezirks, und die Taliban-Kämpfer kamen nachts aus den Bergen herunter, aber das Land selber gehörte allein Gott. Die gezackten Bergketten und die unfruchtbaren Täler waren mittlerweile wie ausgestorben, und die sündhafte Welt der Menschen schien weit weg zu sein. Cyrus rief »Halleluja!«, während er den Blick über die Szenerie schweifen ließ. Sie war wunderschön, weil der Herr sie geschaffen hatte, indem Er die braune Erde mit Seinen gewaltigen Händen wie Teig geknetet hatte.
Aber kein Ort auf der Welt war völlig unbefleckt vom menschlichen Makel. Die Dschihadis versteckten sich in ihren Lehmhütten in den Bergen, während die Amerikaner in ihren Kampfflugzeugen am Himmel darüber ihre Kreise zogen. Beide Seiten behaupteten, sie kämpften für Gott, aber in Wirklichkeit waren sie alle Fußsoldaten in der Armee des Teufels, die ihren Schmutz über die Schöpfung erbrachen. Sie hatten diesen Teil der Welt so gründlich verdorben, dass Cyrus hier nicht allein herumgehen konnte. Einer seiner Leibwächter stand in einiger Entfernung auf einer benachbarten Hügelkuppe, und drei weitere patrouillierten durch die Umgebung. Seine Leibwächter waren seine engsten Gefolgsleute, seine Wahren Gläubigen. Sie beschützten ihn ohne Unterlass mit ihren Gewehren und ihrer Wachsamkeit. Er hatte sie sorgfältig ausgewählt und nur diejenigen herausgesucht, die den stärksten Glauben hatten. Sie hatten ihre Freude an den Aufgaben, mit denen Cyrus sie betraute, weil sie wussten, dass zur Belohnung das Ewige Leben auf sie wartete.
Er drehte sich um und schaute nach Westen, wo die Hügel auf die iranische Grenze zuliefen. Selbst die Werkzeuge des Teufels konnten, wie Cyrus wusste, für heilige Zwecke benutzt werden, und in dieser Hinsicht hatten sich die Iraner als ziemlich brauchbar erwiesen. Die iranische Revolutionsgarde war so erpicht darauf gewesen, ihre Atombombe zu bauen, dass sie bereit waren, mit einem Außenseiter zu verhandeln, der die Entwicklung der Waffe beschleunigen konnte. Cyrus hatte die Fachkenntnis, um ihnen zu helfen – bevor ihn der Ruf des Herrn ereilte, hatte er viele Jahre lang mit nuklearen Gefechtsköpfen gearbeitet. Er hatte immer noch Freunde und Informanten in den amerikanischen und russischen Militärlaboren, sodass er keine Schwierigkeiten hatte, die Iraner mit den Mitteln zu versorgen, die sie benötigten. Und im Gegenzug hatte er etwas viel Wertvolleres erhalten. Der iranische
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