Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Creepers - Der Fluch der Hexe

Creepers - Der Fluch der Hexe

Titel: Creepers - Der Fluch der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Dahme
Vom Netzwerk:
Sie starrte zu Boden.
    Zwischen der efeubewucherten Wand und den Kartons, die wir in die Kellermitte geschoben hatten, wurde wie von unsichtbarer Hand weiterer Efeu in den Schieferboden gemeißelt. Das plötzliche Geräusch eines Hammers, der auf Metall schlug, erinnerte mich an Silvesterkracher – forsch und energisch. Der Efeu bildete vor unseren Augen eine gerade Linie und knickte dann im rechten Winkel ab. Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden.
    Ich wollte schreien, aber es kam kein Ton heraus. Schon zum zweiten Mal heute schien mir das Herz aus der Brust springen zu wollen. Ich packte Margarets Hand und zog sie ruckartig in Richtung Kellertreppe. Ich konnte nur noch daran denken, dass der Efeu womöglich lebendig werden und sich um meine Fußgelenke schlingen würde, und zwar noch wütender als zuvor, weil ihm sein Versuch heute schon einmal missglückt war.
    Aber Margaret widerstand meinem Zerren. »Courtney, warte«, flehte sie. Ich konnte sie kaum verstehen, so laut hämmerte es in meinem Kopf. Sie wandte mir ihr Gesicht zu. Alle Farbe war daraus gewichen, aber sie schüttelte den Kopf, um mich aufzuhalten.
    »Es ist die Hexe«, betonte sie. »Sie will uns etwas mitteilen. Wir müssen ihr zuhören.« Sie ließ meine Hand los und gab mir die Möglichkeit, die Treppe hinaufzustürzen. Offensichtlich würde sie hier unten bleiben.
    Ich blieb standhaft. Ich konnte Margaret nicht im Stich lassen. Während ich mich bemühte, meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen, starrte Margaret den frisch gemeißelten Efeu an. »Ich glaube, er bildet die Umrisslinie einer Grabstätte«, sagte sie voller Staunen. Sie hatte die Hände auf den Mund gelegt. In dem Moment, als sie es aussprach, wusste ich, dass sie recht hatte. Der Efeu bildete exakt die gleiche Form wie das Efeugrab, das die Hexe unter dem Baum im Wald ausgelegt hatte. Ein Lageplan für einen Totengräber.
    »Ist das etwas Gutes?«, krächzte ich. Margaret musste es wissen, dachte ich bei mir. Sie hatte die Zeichen der Hexe ein Leben lang gedeutet. Doch sie sagte nichts. In weniger als einer Minute hatte jemand – oder etwas – sein Werk vollendet. Eine Efeubordüre in Form eines Sargs war nun auf ewig in den Kellerboden gemeißelt.
    Margaret nickte, ohne sich einen Moment lang vom Efeu abzuwenden. »Dad glaubt, dass jeder Versuch zu kommunizieren gut ist.« Trotz ihrer äußerlichen Ruhe spürte ich, wie sie zitterte. Oder war ich das?
    Plötzlich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als alles meinen Eltern zu erzählen.
    »Ist die Hexe auf unserer Seite?«, fragte ich, während ich Margaret diesmal behutsam in Richtung Treppe lenkte. Ich wollte lieber auf Nummer sicher gehen, für den Fall, dass die Hexe doch noch beschloss, dem Efeu Leben einzuhauchen.
    »Dad glaubt, ja«, erwiderte sie. Ihre Augen waren feucht, als sie erneut zu Boden sah. »Ich glaube es auch«, setzte sie leiser hinzu. »Aber ich bin mir nicht sicher. Lies das hier«, sagte sie energisch, während sie einen gefalteten Zettel aus ihrer Hosentasche zog.
    Ich breitete ihn auseinander, verblüfft darüber, dass wir diese Unterhaltung nur wenige Meter entfernt von dem frisch gravierten Efeu führten. Es handelte sich um einen weiteren Auszug aus Christians Tagebuch.
    Margaret blickte hinauf zur Decke, ungefähr zu der Stelle, wo Mr. Geyer gerade sitzen mochte. »Ich habe Dad nicht erzählt, dass ich diese Seite abgeschrieben habe, weil ich nicht wollte, dass er sich Sorgen macht.«
    »Warum konntest du deinem Vater nichts davon erzählen?«, fragte ich sie. Das sah Margaret so gar nicht ähnlich.
    »Weil ich etwas wissen muss, das ich Dad nicht fragen kann.«
    Margaret blickte wieder auf den Efeu am Boden. Diesmal war ihr Gesichtsausdruck eindeutig. Ich wollte sie fragen, wie sie davor Angst haben konnte, ihrem Vater etwas zu erzählen, wenn sie nicht die geringste Angst vor diesem Efeu hatte, der sich wie von Geisterhand einen Weg durch unseren Keller bahnte. Aber hier konnte ich sie nicht fragen – nicht in Gegenwart dieses rätselhaft wuchernden Efeus.
    »Na los. Lies es hier, bevor wir wieder hochgehen. Aber lies es nicht laut«, flüsterte sie.
    Das Blatt zeigte Margarets präzise Handschrift. Ich atmete tief ein und fing an zu lesen.
    Wo auch immer ich hingehe, finde ich Efeu. Der Efeu und ich sind eins geworden, wie es scheint.
    Die Hexe sagt, er sei in meinem Blut, so wie er auch in ihrem Blut sei, und dass dies so sein müsse, damit der Efeu sein Werk verrichten

Weitere Kostenlose Bücher