Crescendo
könnte, sie durch den Wald zu schieben, ohne dabei zu viel Lärm zu machen. Nach langer Überlegung entschied er sich dagegen. Er würde sie zurücklassen müssen und wieder auf seine Beine vertrauen. Er schloss die Motorradtaschen auf und zog eine der Tüten heraus.
Die Luft war kühl auf seiner nackten Haut, als er sich seiner stinkenden Kleidung entledigte und saubere anzog. Ein paar frische Hemden, Unterwäsche und eine Jogginghose stopfte er in den Rucksack, zusammen mit seinem Rasierer und den Computerausdrucken. Er konnte nicht alles mitnehmen und musste sich zwischen seinem Laptop und dem Spezialkuchen entscheiden, den er für Wayne vorbereitet hatte. Seine Wahl fiel auf den Kuchen, aber er entfernte die Festplatte aus dem Computer, für den Fall, dass ihn die Bullen fanden.
Als er weit genug von der Polizei entfernt war, rief er per Handy Wendys Nummer an. Es war kurz nach zwei Uhr morgens, und er hörte sofort, dass er sie geweckt hatte. Ihre Stimme klang verschnupft, und ihn schauderte vor Ekel. Er hasste Rotz, ihren ganz besonders, aber er schob den Gedanken beiseite und gab ihr in geflüsterten Sätzen seine Anweisungen durch.
Nach dem Anruf überlegte er, wie lange er würde warten müssen und wo er sich bis dahin verstecken sollte. Er beschloss, direkt zu dem Treffpunkt zu gehen, den er ihr genannt hatte. Auf dem Weg dahin war ein Bach, aus dem er trinken konnte, und sein Hunger musste eben noch ein paar Stunden warten. Ohne auf seine Erschöpfung, das Brennen am Hals und den dumpfen Schmerz im Knöchel zu achten, rückte er sich den Rucksack zwischen den Schulterblättern zurecht und wandte sich nach Süden.
Die ersten Vögel begannen zu singen, und am östlichen Horizont war schon ein farbloser Lichtschein zu sehen, als er sich dem Treffpunkt näherte. Der Klang leiser Männerstimmen ließ ihn erschreckt innehalten. Er schlich weiter, bis er verstehen konnte, was sie sagten, während sie plätschernd pinkelten.
» … eine Stunde noch und dann nichts wie nach Hause und ins Bett.«
»Ich wette mit dir, die verhängen eine Urlaubssperre und zwingen uns, Überstunden zu machen.«
»Das ist doch Schwachsinn. Der ist mittlerweile über alle Berge. Sollen doch ruhig die Kollegen irgendwo anders das Vergnügen haben, ihn zu finden.«
»Kann schon sein, aber du kennst ja Cave. Der ist knallhart. Die Straßensperren hält der noch mindestens vierundzwanzig Stunden aufrecht. Hast du noch Kaffee übrig?«
»’ne halbe Tasse. Kannst du gerne haben. Noch einen Tropfen Koffein, und ich kann bis Sonntag nicht schlafen.«
Während die beiden Männer zurück zum Wagen gingen, kroch Smith vorsichtig weiter, bis er im Schutz einer Hecke davonschleichen konnte. Zwei Felder weiter zog er seine Karte aus der Plastikhülle, froh darüber, dass er so umsichtig gewesen war, sie zu behalten. Die Polizei konnte unmöglich sämtliche kleinen Straßen in der Gegend gesperrt haben. Er suchte sich einen namenlosen Feldweg aus und rief dann erneut Wendy an. Er gab ihr den neuen Treffpunkt durch und wies sie an, Decken, Verbandszeug, etwas zu essen und zu trinken mitzubringen.
Sie konnte seine Briefe um halb neun abholen, was bedeutete, dass sie spätestens um Viertel nach zehn bei ihm wäre. Als er den Feldweg erreichte, stellte er erleichtert fest, dass weit und breit keine Polizei zu sehen war. Er setzte sich hin und wartete. Um halb elf hatte er sie schon wieder angerufen und erfahren, dass sie noch fünf Meilen weit weg war. Er wollte sie beschimpfen, doch dann fiel ihm ein, dass sie jetzt seine letzte Rettung war. Das Gefühl der Abhängigkeit war unangenehm, und er beschloss, dass sie verschwinden musste, sobald sie alles Notwendige getan hatte. Während er wartete, malte er sich aus, wie er sie loswerden würde. Es war ein amüsanter Zeitvertreib, und er lächelte, als sie endlich kam.
Auf ihrem Gesicht lag ein ungewohnt furchtsamer Ausdruck, den er zunächst ihrem schlechten Gewissen zuschrieb, weil sie zu spät kam, aber als sie ihm nicht in die Augen sehen konnte, begann er, einen anderen Grund zu argwöhnen. Während der Fahrt, als er im engen Kofferraum des Peugeot versteckt lag, musste er nicht nur gegen seine Klaustrophobie ankämpfen, sondern noch dazu gegen die Panik, dass sie ihn ausliefern würde. Als sie schließlich irgendwo bei Hay in sicherem Abstand von der Autobahn anhielten, hatte er sich vor Angst übergeben.
Er wechselte vom Kofferraum zum Fußraum vor der Rückbank und breitete Decken
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