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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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alles getrocknet war, seufzte sie und erhob sich.
    »Auf Wiedersehen, Schwesterchen«, flüsterte sie und war plötzlich den Tränen nahe. »Ich werde dich nicht vergessen. Eines Tages werde ich deinem Bruder von dir erzählen, aber du musst mir die Entscheidung überlassen, wie und wann.« Sie hauchte einen zarten Kuss auf den Stein, wandte sich ab und ging zur Klippe hinauf. Die Montbretien, die an diesem Teil der Küste wild wucherten, fingen gerade an zu blühen, ließen die Farbe erahnen, die bald die Ebereschen umfluten würde. Sie pflückte ein paar, um sie mit nach Hause zu nehmen, und schaute dann eine Weile den Schmetterlingen zu, die in der Hitze nach Nektar suchten.
    An der höchsten Stelle schaltete sie ihr Handy ein, stellte aber enttäuscht fest, dass sie keinen Empfang hatte. Wenn es nicht einmal hier oben möglich war, dann ging es wahrscheinlich nirgendwo. Um Fenwick zu kontaktieren, würde sie wieder nach Clovelly gehen und ihn erneut von der Telefonzelle aus anrufen müssen, aber für heute hatte sie genug Menschen um sich gehabt. Morgen wäre noch früh genug.
    Er schickte sie gleich morgens los, um das Päckchen für Griffiths zur Post zu bringen und eine Wanderkarte von der Gegend zu kaufen. Sobald sie weg war, inspizierte er seine Verletzungen und verarztete sie neu mit kleineren Pflastern und Verbänden. Die Schwellung an seinem Knöchel war fast verschwunden, daher konnte er ein paar Übungen machen. Er brauchte Kraft in den Beinen, und außerdem hasste er es, sich irgendwie behindert zu fühlen. Die Muskeln taten höllisch weh, aber er hielt den Schmerz aus und trainierte verbissen, bis er vor Schweiß triefte. Um neun Uhr ging er ins Bad und duschte.
    Er konnte Toast und Schinken riechen. Wendy hätte inzwischen wieder da sein müssen, und seine Ungeduld mit ihr wurde immer stärker. Allmählich hatte er das Gefühl, ihr nicht mehr vertrauen zu können, was ihre Nützlichkeit für ihn erheblich verringerte. Um halb zehn reichte es ihm, und er ging allein zum Frühstück. Jedes Zucken in den Muskeln, jedes Ziehen in den Wunden machte ihn wütender. Die kleine Schlampe hatte es ihm ordentlich heimgezahlt, und am liebsten hätte er sie gleich noch mal umgebracht. Der Wunsch, jemandem Schmerzen zuzufügen, war stark. Ihm war in letzter Zeit aufgefallen, dass er an manchen Tagen bereits mit diesem Verlangen erwachte, und das war früher nie vorgekommen. Wenn Wendy hier gewesen wäre, hätte er ihr eine Tracht Prügel verabreicht, weil sie ihn mit ihrer Ruhe nervte. So jedoch musste er seine Wut unterdrücken und eine Leidensmiene aufsetzen, damit die Besitzerin der Pension keinen Argwohn schöpfte.
    Er öffnete die Tür und sah, dass der kleine Frühstücksraum gerammelt voll war. Nur noch ein Tisch genau in der Mitte war frei. Er humpelte dorthin und stützte sich dabei schwerer auf seinen Stock, als nötig gewesen wäre. Eine dicke Frau kam herein und brachte ein riesiges Tablett, auf dem etliche Teller mit einem appetitlich duftenden englischen Frühstück standen.
    »Mr Wilmslow. Wie schön, dass Sie hier sein können. Ihre Gattin meinte, Sie müssten vielleicht alle Ihre Mahlzeiten auf dem Zimmer einnehmen. Was darf ich Ihnen bringen?«
    Er bestellte ein großes Frühstück mit Toast, Tee und Orangensaft.
    »Donnerwetter! Für Ihr Befinden haben Sie aber einen gesegneten Appetit.«
    »Mein Magen ist ja zum Glück unversehrt geblieben.«
    Die Erwiderung hatte heiter klingen sollen, scherzhaft, aber es klappte nicht. Ihr Lächeln erstarb, und sie trat den Rückzug an.
    Sein Frühstück kam, und er aß langsam, schaute unentwegt von seinem Teller zum Gartentor, das er durch das Erkerfenster sehen konnte. Als er den Tee getrunken und mit dem letzten Stück Toast den Teller sauber gewischt hatte, war sie noch immer nicht wieder da. Eine Uhr in der Diele schlug zehn, als er zurück aufs Zimmer ging, wo er sich gleich daran machte, seine wenigen Habseligkeiten zu packen. Er war hier nicht mehr sicher, falls sie ihn im Stich gelassen hatte. Er fluchte, weil er sie nicht schon am Tag zuvor getötet hatte. Dann kam ihm ein entsetzlicher Gedanke. Was, wenn die Polizei sie gefasst hatte oder die Pension umstellt war?
    Das Zimmer ging auf eine Seitenstraße. Der Postbote fuhr vorbei, dann ein paar Autos. Passanten gingen ganz normal auf und ab. Er hatte nicht den Eindruck, in der Falle zu sitzen. Er schaltete den Fernseher ein. Ein Sprecher der Polizei wurde gerade interviewt. Ein untersetzter Schotte

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