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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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Wasser umhüllte. Trotzdem hatte sie das dringende Bedürfnis, einen Spaziergang zu machen, zog sich ihre Regenjacke über und trat nach draußen. Der Regen prasselte ohrenbetäubend auf sie nieder. Er hatte die Wucht und Dichte einer Massagedusche, und sie gab ihren ursprünglichen Plan auf, zur Klippe hinaufzugehen und das Unwetter in der Bucht zu beobachten. Stattdessen schlug sie den Weg zu dem kleinen Dorf und der Kirche ein.
    Amelia arrangierte gerade die Blumen auf dem Altar. Die schwere Eichentür knarrte, als Nightingale sie aufzog, und Amelia fuhr herum. Nightingale schob ihre Kapuze zurück und winkte beruhigend. Ihr dunkles Haar klebte am Kopf, zersaust und wieder länger. Amelia öffnete erschrocken den Mund. Ihre Hand zuckte nach oben, als wollte sie einen Schlag abwehren, dann beruhigte sich ihr Gesicht.
    »Louise, Sie haben mich erschreckt.« Sie versuchte zu lä-
    cheln, doch ihre Augen blieben weiterhin groß und starr.
    »Entschuldigung.« Nightingale ging über die Karofliesen des Mittelganges und wich dabei automatisch der abgewetz-ten Grabplatte aus Messing aus. »Ich musste mal aus dem Haus.« Amelia starrte sie noch immer an und hatte die Blumen vergessen, während Wasser über das Altartuch rann und auf die Fliesen tropfte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Amelia drehte sich abrupt um und wischte mit ihrer Schürze über den größer werdenden Fleck.
    »Ich muss nur noch zwei Gestecke machen, Danke.« Sie hielt Nightingale den Rücken zugewandt, während sie sprach, doch ihr Körper strahlte Abwehr aus, als sei sie bei irgendeiner Taktlosigkeit ertappt worden.

    432

    Nightingale schüttelte verwundert den Kopf und zog sich zum Taufbecken mit seinem kraftvollen pantheistischen Relief zurück. Sie ließ die Fingerspitzen darüber gleiten. Es hatte etwas Ursprüngliches an sich. Sie war überzeugt, dass Lulu trotz ihrer eigenartigen Lebensweise und sonderbaren Vorstellungen dieses Taufbecken, das ja heiliges Wasser aufnehmen sollte, mit großer Frömmigkeit gestaltet hatte. Hinter ihr hastete Amelia umher. Vielleicht lag es an dem düsteren Tag oder an einer übellaunigen Reaktion auf das Wetter, aber Nightingale spürte, wie Ärger in ihr aufstieg. Sie musste an die Geschichte von Maria und Martha denken.
    Amelia war wie Martha, fleißig und gewissenhaft, man konnte sich auf sie verlassen, aber sie wusste nicht, worauf es wirklich ankam.
    »Fertig!« Amelia stellte ein Blumenarrangement unter das Taufbecken und trat zufrieden einen Schritt zurück. »Um diese Jahreszeit kann man keinen Rittersporn nehmen. Der hält sich einfach nicht. Das hab ich Lily gesagt, als sie die Blumen gebracht hat, aber sie wollte nichts davon hören. Die Chrysanthemen hier sind viel praktischer.«
    Nightingale warf einen Blick auf die Wolke aus robusten rotbraunen Blüten und sah rasch weg. Wieder fuhr sie mit den Fingern über das Relief.
    »Es gefällt mir. Irgendwie spricht es mich an.«
    Nightingales schlichte Feststellung löste bei Amelia ein nervöses Kichern aus.
    »Ja, es ist sehr hübsch«, sagte sie, den Kopf geneigt. Sie zupfte an den Blumen herum, machte sich unnötig mit ihren Wurstfingern daran zu schaffen. Nightingale war sicher, dass Amelia ihr nur nicht in die Augen schauen wollte, und ihre berufliche Neugier war augenblicklich geweckt.
    »Was für ein Mensch war Lulu?«

    433

    Amelia drehte Nightingale den Rücken zu und nahm ihren Mantel von einer Kirchenbank.
    »Warum fragen Sie das?«
    Irgendetwas, ein Instinkt oder ein Gedanke, der so tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben war, dass er noch nicht wirklich Gestalt angenommen hatte, veranlasste Nightingale, so zu antworten, als wüsste sie weit mehr, als es der Fall war.
    »Was glauben Sie, warum ich das frage? Habe ich denn nicht das Recht, es zu wissen?«
    Der Zorn und der Schmerz in ihrer Stimme überraschten sie beide. Amelia wandte sich ihr zu, hielt aber die Augen auf ihre Handtasche gerichtet, an deren Verschluss sie herum-fummelte.
    »Das ist alles so lange her, Louise. Sie sind jetzt aufgeb-racht, aber ich halte es für das Beste, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
    »Aber es ist meine Vergangenheit, und ich habe doch wohl das Recht, alles zu erfahren. Meine Eltern sind tot, also wem könnte es noch schaden? Sie sind Christin. Wahrheit und Mitgefühl müssten Ihnen doch wichtig sein. Wenn Sie mir nicht mehr zu sagen haben, dann schwören Sie es, jetzt, hier in der Kirche.«
    Endlich blickte Amelia sie an, und Nightingale war beschämt,

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