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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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ihren Wagen vor dem Prä-
    sidium parkte, wurde Nightingale von einer Horde verschwitzter Männer mit Notizblöcken, Mikrofonen und Foto-apparaten umringt. Die Presse hatte sie aufgespürt, was sie mehr verstörte als jede lebensbedrohliche Situation im Dienst.
    Sie erstarrte.
    »Sergeant Nightingale, ein paar Worte zu dem Griffiths-Urteil bitte, wie fühlen Sie sich?«
    »Bitte hierher sehen. Wunderbar! Und noch mal, danke.«
    »Was war das für ein Gefühl, einem Serienvergewaltiger in die Augen zu schauen?«

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    »Stimmt es, dass sie ihm zwischen die Beine getreten haben? Das würde unseren Leserinnen gefallen. Schade, dass sie ihm keinen Dauerschaden zugefügt haben.«
    »Na, kommen Sie, nur ein paar Worte, mehr wollen wir nicht.«
    Nightingale blinzelte rasch, als würde sie aus einer Trance erwachen. Mit gesenktem Kopf strebte sie ohne ein Wort zum Eingang. Zwei von den Männern versuchten, sie aufzuhalten, liefen rückwärts vor ihr her, aber sie ging unbeirrt weiter. Sie wurde mit Fragen bombardiert, und Kameras klickten ohne Unterlass. Als sie die Treppe erreichte, entstand ein Gedränge, jemand fiel gegen sie und sie stürzte nach vorn.
    Im selben Moment rief eine Stimme über ihrem Kopf.
    »Was zum Teufel ist da unten los?«
    Sie blickte hoch und sah Inspector Blite aus einem Fenster im zweiten Stock spähen, das Gesicht rot angelaufen.
    »Sie kommen auf der Stelle zu mir.«
    Als Nightingale in Blites Büro stolperte, war sie völlig au-
    ßer Atem, und das kam nicht von den zwei Treppen, die sie hochgelaufen war. Die Begegnung mit den Journalisten hatte sie arg mitgenommen. Ihre Privatsphäre war verletzt worden, und sie fühlte sich schmutzig.
    »Sehen Sie sich das an!« Blite warf ihr die neueste Ausgabe der Daily Mail hin. »Die Seiten vier, fünf und sechs. Lesen Sie.«
    Die Zeitung informierte ausführlich über den Prozess und die polizeilichen Ermittlungen, die schließlich »einen gefährlichen Kriminellen« vor Gericht gebracht hatten. Der Artikel war durchaus polizeifreundlich, und Nightingale fragte sich, was Blite so auf die Palme gebracht hatte. Sie fand die Antwort, als sie Seite sechs aufschlug. Unter der Überschrift »ex-klusiv« stellte ein Kurzporträt die tapfere Polizistin vor, die 48

    unter Einsatz ihres Lebens den Lockvogel gespielt hatte, um den Vergewaltiger zu fassen. Nightingale starrte auf ihr Foto und schloss entsetzt die Augen.
    Sie hatten aus ihr eine Heldin gemacht. Der Journalist schilderte ihre Rolle bei Griffiths’ Verhaftung. Er hatte nicht übertrieben, aber das wäre auch nicht nötig gewesen, weil die Einzelheiten an sich schon dramatisch genug waren. Dann erwähnte er zwei frühere Fälle, in denen sie sich ebenfalls
    »ungemein tapfer« verhalten hatte, und schrieb: »Dieser Mut ist typisch für Sergeant Nightingale. Hinter ihrer kühlen Schönheit schlägt ein unerschrockenes Herz …«
    Sie schauderte. Wieso machte ein Journalist sich die Mü-
    he, ihre kurze Laufbahn zu recherchieren? Sie blickte auf den Namen, der über dem Artikel abgedruckt war: Jason MacDonald. Tja, das erklärte alles. Sie hatte ihn mal festgenommen, als er versucht hatte, einer Frau, zu deren Schutz sie abgestellt gewesen war, eine Exklusivstory zu entlocken. Das war drei Jahre her, aber er hatte schon damals auf sie den Eindruck gemacht, dass er ganz schön nachtragend sein konnte. So positiv die Berichterstattung dem Schein nach war, er hatte genau gewusst, dass er damit ihre Vorgesetzten empören und ihre Kollegen befremden würde. Inspector Blite und Superintendent Quinlan wurden nur beiläufig erwähnt. Geschickt hatte er den Eindruck erweckt, als wäre der Fall, bei dem manche Panne passiert war, nur durch ihre Tapferkeit endlich aufgeklärt worden. Nightingale blickte in Blites wü-
    tendes Gesicht.
    »Ich habe keinen Schimmer, woher er das alles hat, Sir.
    Ich habe kein Interview gegeben.«
    »Und das soll ich Ihnen glauben? Ihr PR-Agent hat anscheinend Überstunden gemacht!«
    Nightingale biss sich auf die Zunge. Einwände brachten 49

    nichts. Wenn es im Präsidium eine undichte Stelle gab, dann war sie es jedenfalls nicht.
    »Ihr Verhalten war unprofessionell, nahezu schändlich. Das wird sich zwangsläufig auf Ihre Karriere auswirken. Sie müssen mit Konsequenzen rechnen.«
    Seine Stimme war schneidend, aber Nightingale war nicht so leicht zu beeindrucken und legte auf seine Meinung ohnehin keinen großen Wert.
    »Ich werde persönlich für einen Vermerk in Ihrer Akte

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