Crescendo
sorgen, darauf können Sie sich verlassen …«
»Würden Sie uns bitte allein lassen, Sergeant Nightingale?«
Sie blickte sich um und sah Superintendent Quinlan in der offenen Tür stehen. Blites laute Stimme musste über den ganzen Flur hinweg zu hören gewesen sein. »Und schließen Sie die Tür hinter sich.«
Als sie irgendwann später zum Superintendent gebeten wurde, hatte Nightingale sich bereits allerlei Kommentare zu ihrer plötzlichen Berühmtheit anhören müssen. Die meisten Kollegen begnügten sich damit, sie aufzuziehen oder um ein Autogramm zu bitten, aber nicht wenige waren neidisch und verbreiteten schlechte Stimmung. Ihre Schultern waren angespannt, als sie an die Tür von Quinlans Büro klopfte.
»Kommen Sie herein, Louise.« Er blickte auf und lächelte sie an. »Setzen Sie sich.«
Er musterte sie schweigend. Eine Ader klopfte an ihrer rechten Schläfe. Obwohl sie seinen Blick unbefangen erwiderte, sah sie jung und unglücklich aus. Die Beamtin vor ihm war erst siebenundzwanzig. Sie hatte sich nicht durch besondere schulische Leistungen ausgezeichnet, mit Mühe und Not das College geschafft, bevor sie zur Polizei ging, aber er hatte keinen Zweifel, dass sie etwas Besonderes war. Doch sie hielt mit irgendetwas hinterm Berg, ganz absichtlich, und diese 50
Geheimhaltung behagte ihm nicht. Fenwick war genauso. Er hatte Tiefen, die wohl noch niemand ergründet hatte, wie Quinlan vermutete. Ein Jammer, dass er nach so langer Zeit noch immer keine nette Frau gefunden hatte. Er riss sich aus seinen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf Nightingale.
»Sie werden keinen Aktenvermerk bekommen, da Sie nichts falsch gemacht haben.«
»Danke, Sir.«
»Allerdings«, er sah, wie sich ihre Kinnpartie anspannte, als befürchte sie einen Schlag, »hat der Fall Ihnen und daher auch der Abteilung eine Aufmerksamkeit eingebracht, die nicht gerade dienlich ist. Die Presse beschäftigt sich gerne mit Einzelschicksalen, und Sie sollten damit rechnen, dass das Medieninteresse noch eine ganze Weile anhält.«
»Ich bin sicher, mein Ruhm ist kurzlebig und morgen schon vergessen.«
Quinlan betrachtete das fein geschnittene Gesicht, das, wie sie jetzt wussten, bei den Fotografen begehrt war, die schlanke, hoch gewachsene Gestalt, die kühle, aber mysteriöse Ausstrahlung und schüttelte den Kopf, machte ihre Hoffnungen zunichte. Ein schönes, junges Gesicht sorgte für hohe Aufla-gen, auch wenn die Story dünn war. Wenn dann noch Sex und Gewalt im Spiel waren, wurde gleich doppelt so viel verkauft.
»Wer ist dieser Jason MacDonald? Der Name kommt mir bekannt vor, und er weiß einiges über Sie.«
»Er war Lokalreporter und hat vor drei Jahren über die Rowland-Sache geschrieben. Mit seiner Enthüllungsstory hat er einer Opernsängerin die Karriere versaut.«
»Ach ja. Und jetzt schreibt er für die überregionale Presse.« Quinlans leise Hoffnung, dass MacDonald das Interesse 51
an ihnen verlieren würde, löste sich in Luft auf. »Sie schieben für ein paar Wochen Innendienst.«
»Ja, Sir.« Sie blickte erleichtert, und ihr Gesicht entspannte sich zu einem kleinen Lächeln, das aber bei seinen nächsten Worten verschwand.
»Und ich werde über Ihre nächste Versetzung nachdenken müssen. Wenn Sie nach Bramshill und Ihrer Sergeant-Prüfung nicht einen Sonderantrag gestellt hätten, wieder zu uns zu kommen, wären Sie längst woanders. Sie können nicht ewig hier bleiben, nicht bei Ihren Möglichkeiten. Denken Sie darüber nach und nennen Sie mir Ihre Wünsche. Das wäre dann alles.«
Nightingale schob Quinlans Vorschlag, den Prozess und die Presseberichterstattung so gut sie konnte beiseite, doch sie wurde tagelang von Journalisten verfolgt. Als ihnen keine Fragen mehr einfielen, gingen sie dazu über, bei ihr zu Hause anzurufen, ohne etwas aufs Band zu sprechen.
Statt irgendwann aufzuhören, nahmen die Anrufe immer mehr zu. Nachts musste sie das Telefon ausstöpseln, um nicht dauernd von dem Geklingel aus dem Schlaf gerissen zu werden. Und dann fingen die E-Mails von Pandora an: »SING-VÖGELCHEN, LUST AUF EIN SPIEL?«
Das war der einzige Wortlaut, aber mit SPIEL war eindeutig THE GAME gemeint, was ihre Angstgefühle steigerte.
Ihre Therapeutin hatte sie vorgewarnt, dass sie sich verwundbar fühlen würde, das sei ganz normal, aber Nightingale hatte nichts davon hören wollen. Sie hatte sich eingeredet, dazu sei sie zu hart im Nehmen, schließlich war die Härte, die sich zugelegt hatte,
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