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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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von Menschen. Es war schließlich August, Hochsaison, und Clovelly eine Touristenattraktion in Devon. Leute starrten ihn an, obwohl er nur noch wenig Verbände trug. Eigentlich waren sie eine gute Tarnung. Sein Bild prangte auf den Titelseiten der Zeitungen, aber er war, wie er fand, schlecht getroffen. Er sah darauf aus wie eine Ratte, Augen zu eng beieinander, Nase zu dünn und spitz und ein fliehendes Kinn, nicht die geringste Ähnlichkeit. Er lächelte und setzte seine Sonnenbrille auf.
    Als er auf der Titelseite der Sun ein Foto von Wendy erblickte, blieb er wie angewurzelt stehen, sodass jemand fluchend mit ihm zusammenstieß. Er ging in den Laden und kaufte die Zeitung. Der dazugehörige Artikel war auf Seite fünf: Gesucht wurde Wendy Smith, vierundzwanzig, die seit dem Vortag aus ihrer Wohnung in Birmingham verschwunden war. Die Polizei vermutete, dass sie unter falschem Namen mit ihrem Vetter, siebenundzwanzig Jahre alt, ein Meter dreiundachtzig groß, unterwegs war, es könne sich aber auch um eine Entführung handeln.
    Smith fühlte sich schwach. Sein Kopf brummte. Er redete sich ein, das komme von den Verletzungen, weil er sich nicht eingestehen wollte, dass er Panik hatte. Wie war die Polizei bloß auf Wendy gekommen? Griffiths, wer sonst! Der sang anscheinend wie ein Kanarienvogel, weil sie ihm Strafmilde-rung versprochen hatten. Dieser Dreckskerl! Na, er hatte da-für gesorgt, dass er elendig leiden würde, bevor er starb. Und wenn er diese Polizistin getötet hatte, würde er mit ihrem Blut an die Wand schreiben, dass ihre Hinrichtung im Auftrag des Gefängnisinsassen Wayne Griffiths erfolgt war.
    In einem Souvenirgeschäft kaufte er eine Baseballmütze.
    Wenn er sie tief in die Stirn zog, lag fast sein ganzes Gesicht 557

    im Schatten. Etwas beruhigter trottete er den Berg hinunter und betrat das Internetcafé.
    Anstatt direkt zu einem PC zu gehen, blieb er an der ver-zinkten Ladentheke stehen und beobachtete den jungen Mann, der hier das Sagen hatte. Smith war stolz darauf, ein gutes Gespür für die sexuellen Vorlieben anderer zu haben, das war einer der Gründe, warum er so ein erfolgreicher Verführer war. Die Augen des Mannes huschten von einem Kunden zum nächsten, wie die einer Eidechse, die auf Flie-gen lauert, unablässige ruckartige Bewegungen voll innerer Anspannung. Als er merkte, dass Smith ihn anstarrte, lächelte er unmissverständlich.
    »Ich suche nach einer jungen Frau«, sagte Smith und tat so, als habe er die Enttäuschung nicht bemerkt, die kurz über das Gesicht seines Gegenübers gehuscht war. »Vielleicht haben Sie sie mal hier gesehen? Sie ist meine Schwester, und meine Eltern machen sich ziemliche Sorgen um sie.«
    Er zog einen alten Zeitungsausschnitt aus seinem Portemonnaie und lächelte den Mann mehr als nur freundlich an.
    Der andere setzte sich und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ich bin Frank.«
    Smith ergriff die Hand und drückte sie sacht.
    »Ich bin Danny, hast du sie gesehen?«
    Frank nahm das Bild und faltete es auseinander. Es war unübersehbar, dass er sie wieder erkannte.
    »Die war ein paar Mal hier. Versteht ihr euch gut?«
    »Im Gegenteil. Genau genommen ist sie meine Halbschwester, und ich wäre gar nicht hier, wenn meine Mum nicht so besorgt wäre. Wir haben uns nie gut verstanden. Sie hat sich Geld von mir geliehen und nie zurückgezahlt, so Sachen eben. Typisch Frau. Man kann ihnen einfach nicht trauen.«

    558

    »Wem sagst du das. Deine Schwester ist ein Paradebeispiel: hochnäsig, arrogant – würdigt einen keines Blickes. Sie war übrigens heute Morgen hier.«
    »Hast du eine Ahnung, wo sie wohnt?« Er versuchte, ruhig zu klingen.
    »Nein. Hab nicht mit ihr geredet. Nimm’s mir nicht übel, aber sie ist nicht mein Typ.«
    Smith sah ihn an und lächelte.
    »Ehrlich? Die meisten Männer stehen auf sie.«
    »Ich bin eben eine Ausnahme, Danny.« Frank hielt seinen Blick zu lange fest, und sie lächelten sich an.
    »Das hör ich gern. Meinst du, sie wohnt hier im Ort?«
    »Frag mal im Pub nach. Vielleicht ist sie gesprächiger, wenn sie was getrunken hat. Hast du vor, hier auf sie zu warten? Sie kommt nicht jeden Tag her. Könnte sein, dass du ein Weilchen hier bleiben musst.«
    »Och, ich bin ein geduldiger Mensch. Ich geh dann mal, aber vielleicht schau ich später wieder rein, wenn du nichts dagegen hast?« Er spitzte die Lippen, und Frank lächelte.
    Der Pub war voller Touristen, die zu Mittag aßen, deshalb trat er rasch den Rückzug an. Er

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