Crescendo
Bestimmt immer auf die letzte Minute, damit hätten wir sechs Stunden. Jede Menge Zeit!«
Saunders war in eine verwirrte Benommenheit gefallen, er war erschöpft von dem vorangegangenen Sauerstoffmangel und schien sich vor lauter Angst dumpf in sein Schicksal zu fügen. Der Eindringling spürte, dass weitere Worte, zarte, fast sinnliche Drohungen, die er so oft im Geiste geübt hatte, nicht mehr viel bewirken würden. Er brachte seine Utensilien ins Wohnzimmer und arrangierte sie auf dem Teppich zwischen Fernseher und Couch. Er hielt inne, blickte auf die Pornographie auf dem Bildschirm und musste breit grinsen.
»Ein passender Hintergrund, finden Sie nicht auch? Wenn die Schmerzen zu stark werden, können Sie ja versuchen, sich auf die drei da zu konzentrieren. Aber zunächst möchte ich Ihnen zeigen, was ich zu unserer Unterhaltung mitgebracht habe. Ich habe mir ein einfaches Thema überlegt – ›Do it yourself‹ –, obwohl ich handwerklich nicht sehr begabt bin.
Viel Übung habe ich leider nicht, aber ich glaube kaum, dass uns das den Spaß verderben wird.«
Während er sprach, rückte er seine Requisiten erneut zurecht: drei geschärfte Schraubenzieher, zwei Kneifzangen, Elektrokabel, ein Hammer, eine Bügelsäge und einen kleinen Elektrobohrer.
»So. Es kann losgehen. Die Frage ist nur noch, wo wir anfangen.« Er blickte über die Schulter, kurz abgelenkt durch das Geschehen auf dem Bildschirm.
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»Na, sieh sich das einer an!«, sagte er belustigt. »Inspiration. Dann wollen wir mal.«
Er nahm die Bügelsäge und richtete sein ganzes Augen-merk auf den korpulenten Mann auf der Couch.
Draußen war es schon hell, als er endlich seine Ausrüstung zusammenpackte. Er hatte eine größere Schweinerei veranstaltet, als er beabsichtigt hatte, und es dauerte eine Weile, bis alles wieder sauber war und er ins Bad gehen konnte. Angewidert vom schmutzigen Zustand der Dusche suchte er sich aus der überraschend großen Auswahl im Badezimmerschrank ein Antischuppenshampoo aus. Die Dusche war erfrischend, und er genoss es, anschließend seine sauberen Sachen überzu-ziehen. In den Müllbeutel stopfte er jetzt den blutverschmierten Gummianzug und das Werkzeug. Die Handschuhe waren noch klebrig vom trocknenden Blut, und er hätte sie am liebsten liegen lassen, entschied sich aber vorsichtshalber dagegen. Er fühlte sich unglaublich sicher, als stünde er unter Schutz, aber er musste die Gefahr ja nicht unnötig herausfordern.
Er verließ das Haus um halb acht und verschwand durch den Garten, der total verwahrlost war, ganz wie sein verstorbener Besitzer. Seine Fluchtroute war genau geplant, und er erwischte mühelos den 25er Bus. Als er am Gefängnis vorbeikam, hob er seine Zeitung vors Gesicht, weniger, um sich zu verstecken, als um ein verächtliches Grinsen zu verbergen. Sie würden sich bald fragen, wo Saunders blieb. Wie würde man auf seine Ermordung reagieren? Der Gedanke an ihre Verwirrung und das Entsetzen hatte eine unglaublich erregende Wirkung auf ihn, und er ließ den Blick suchend durch den Bus gleiten. Weiter vorne saß eine Krankenschwester. Er seufzte genüsslich auf, und eine alte Frau gegenüber belohnte ihn mit einem ruhigen Lächeln.
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»Furchtbarer Ort«, sagte sie, und er nickte ernst.
»Voller schrecklicher Leute«, pflichtete er ihr bei.
Irgendetwas in seinem Tonfall musste die Frau irritiert haben, denn sie beäugte ihn neugierig. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, den Bus zu nehmen. Er tat so, als würde er ein Plakat studieren, und die Frau schaute weg, doch als er spürte, dass sie ihm immer wieder Blicke zuwarf, beschloss er, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Die Krankenschwester musste er sich jetzt ohnehin aus dem Kopf schlagen.
Er ging die letzte Meile zu Fuß zu einem kleinen Park-haus, das er ausgewählt hatte, weil es keine Überwachungs-kameras hatte, und holte sein Fahrzeug. Intelligenz war seine stärkste Waffe, und die Vorstellung amüsierte ihn, wie die Polizei sich bei der Untersuchung seines Werkes das Hirn zermartern würde.
Er hatte vorher noch nie einen Mann getötet, und es war überraschend befriedigend gewesen. Er hatte keinen Druck gespürt, kein Verlangen, das er hatte bändigen müssen, sodass er die Schmerzen fast mit wissenschaftlicher Präzision hatte zufügen können. Als er davonfuhr, hatte er viel gelernt, und es machte ihm Spaß, sich auszumalen, wie er diese Erfahrung bei dem Miststück von der Polizei umsetzen könnte.
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