Crescendo
reichte.
»Moment.« Batchelor klang bedrückt. »Die Wahrheit ist, ich habe ein paar unausgegorene Ideen. Wenn ich auf Ihre Diskretion zählen darf …«
»Wem sollte ich denn wohl irgendwas erzählen?«, konterte sie spöttisch.
»Also dann. Ich habe vorhin erwähnt, dass er Artikel sammelt. Er hat zwei Alben, eines ist voll mit Zeitungsausschnitten und ausgedruckten Artikeln aus dem Internet.«
»Internet! Sind Sie noch bei Trost? So hat er seine Opfer ausfindig gemacht und ihnen nachgestellt!« Die unerfreuliche Erinnerung an Pandoras Nachrichten tauchte in ihr auf und es überlief sie kalt.
»Er darf nur unter meiner direkten Aufsicht ins Internet.
Ich lasse ihn nach jeder Sitzung zur Belohnung fünf Minuten surfen, aber die Direktorin will auch das verbieten. Ich beobachte ihn die ganze Zeit. Er darf nur surfen und ausdrucken.
98
Es ist völlig ausgeschlossen, dass er Nachrichten verschickt oder erhält.«
»Trotzdem halte ich das für ein unnötiges Risiko, aber Sie sprachen von zwei Sammelalben. Was ist in dem zweiten?«
»Sie. Es ist voll mit Zeichnungen und Fotos, und mit allem, was während und nach dem Prozess über Sie geschrieben wurde.«
»Wieso?«
»Ich hatte gehofft, das könnten Sie mir sagen.«
»Ich habe keine Ahnung. Und nur ich bin da drin? Keins seiner anderen Opfer?« Sie biss sich auf die Lippe und hoffte, dass er ihren Versprecher nicht bemerkt hatte.
»Nur Sie. Was ist passiert, dass Sie so wichtig für ihn sind?«
»Ich habe ihn festgenommen, und meine Aussage hat zu seiner Verurteilung geführt. Klar, dass er wütend auf mich ist, mich vielleicht sogar hasst.«
»So einfach ist das nicht. Es geht hier nicht um Zorn oder Hass.« Irgendwie schwante ihr, dass er mehr wusste, als er zugab.
»Was verschweigen Sie mir?«
Batchelor seufzte, plötzlich unsicher.
»Als keine Artikel mehr erschienen, fing er an zu zeichnen. Nach der Vorlage eines Fotos von Ihnen. In seinen Zeichnungen sehen Sie aus wie eine Kreuzung aus Königin und Kriegerin.«
»Er zeichnet Artemesia, die Jägerin.«
»Interessant. Wenn Sie Recht haben, sind Sie für ihn eine Art Erscheinung. Die Porträts sind perfekt.«
»Und er hat keine anderen Figuren aus THE GAME gezeichnet?«
»Nur Sie.«
»Tja, meine laienhafte Analyse ist die, dass er davon fanta-99
siert, Macht über mich auszuüben. So, jetzt muss ich aber wirklich Schluss machen.«
»Können Sie mir mehr über Artemesia erzählen?«
»Kaufen Sie sich THE GAME, da ist alles drin. Ach, übrigens«, sie hoffte, dass ihre Stimme beiläufig klang, »hat er Zugang zu einem Telefon?«
»Nein, noch nicht. Die Direktorin hat seinetwegen noch zu große Bedenken. Warum?«
»Rein interessehalber.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, ließ sie das Telefonat noch einmal Revue passieren. War Griffiths der anonyme Anrufer?
Wenn ja, dann musste er unerlaubten Zugang zu einem Telefon haben, und zwar Tag und Nacht, und das war unmöglich. Er konnte es nicht sein.
»Aufwachen, Nightingale, Ihr Typ wird verlangt.« Ein Papierkügelchen prallte harmlos von ihrem Kopf ab. Detective Sergeant Randall schüttelte den Kopf. »Sie sollten vor fünf Minuten in einer Besprechung sein.«
Nightingale blickte auf ihre Uhr, fünf nach drei. Sie hatte kurz nach zwei den Hörer aufgelegt und konnte sich nicht erinnern, seitdem irgendetwas getan zu haben. Eine ganze Stunde futsch! Sie schnappte sich ihr Notizbuch und lief aus dem Zimmer.
Sergeant Cooper war schlecht gelaunt, was immer öfter der Fall war. Seit rund einem Jahr war Detective Inspector Blite bei den schwereren Fällen sein direkter Vorgesetzter, ein Mann, dem er kaum noch mit Höflichkeit, geschweige denn mit Respekt begegnen konnte. Kaum war D.C.I. Fenwick an die Londoner Polizei ausgeliehen worden, hatte Blite sich in einem Anfall von Selbstüberschätzung eingebildet, er könne Fenwicks Platz einnehmen. Nach Coopers Meinung reichte Blites Arroganz zwar für zwei, doch sein Talent nur für einen 100
halben Mann. Cooper hielt Blite für ein As, wenn es ums Speichellecken und Arschkriechen ging, aber als Polizist war er eine Null.
Blite brüstete sich damit, der erfolgreichste Ermittler der Abteilung zu sein, wofür Harper-Brown ihn mit Lob überschüttete. Die Leute in seinem Team jedoch litten unter dem Druck, den er ausübte, und unter den Überstunden, die er ihnen abverlangte. Zur Zeit arbeiteten sie an einer Serie von brutalen Raubüberfällen in einer heruntergekommenen Siedlung. Blite war davon
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