Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)
diese Menschen eine Ehre.«
»Was für ein Arschloch«, hatte ich Bilean damals entgegnet.
»Es ist mir durchaus klar, dass Ihr kindlicher Verstand dies nicht versteht. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich diesen absoluten Diktator außerordentlich verehrt habe. Ein Mann, der den Dämonen der Zeit so nahestand, wie kein anderer es je wagen würde. So viel Hass und Zorn ist schon eine gewaltige Kraft. Selbst nach seinem Tod spüre ich seine unverstandene Seele.«
Ich glaubte nun zu wissen, wen er gemeint hatte: Adolf Hitler! Der hatte ein ähnliches Ziel verfolgt: Er wollte ebenfalls die Welt verändern – seiner Meinung nach zu einer Besseren! Natürlich stand auf keinen Fall die Frage im Raum, ob er es richtig gemacht hatte. Seine Taten waren zu grauenvoll, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dennoch verstand ich das Prinzip. Eine derartig tiefgreifende Veränderung ist nur durch extreme Taten zu erreichen. Deshalb schien Bileam ihn zu bewundern. Hitler hatte alles dafür getan, seine Ideologie voranzutreiben und sie zur Realität werden zu lassen.
»Schon gut, Mister Saizew. Sehen wir uns lieber die Leiche an!«
Als wir uns dem Toten näherten, hatte Babrow bereits den kopflosen Körper auf den Bauch gedreht und zeigte uns den eingeschnitten Namen auf dem Rücken. »Эсра!«, las er, wobei Saizew sogleich übersetzte: »Esra!«
»Dasselbe Bild«, sagte ich. »Kein Kopf, auch Hände und Füße fehlen, kein Blut, und wieder ein in die Haut eingeschnittener Name. Lassen Sie mich raten: Es handelt sich um das siebte Buch des Alten Testaments.«
»Das achte, Sheriff.«
»Meinetwegen auch das achte!«
Ich kam ins Grübeln. Wenn ich richtig zählen konnte, hatten wir bisher sechs Leichen entdeckt, die diesen Ritualmorden zum Opfer gefallen waren. Ich war mir sicher, dass auf der letzten Leiche das Wort »Könige« eingeschnitten war. Demnach fehlte eine Leiche! Ich dachte sofort an Elsa! Sie war in Gefahr, so weit war ich mir sicher – wenn sie nicht schon tot war. Angst überkam mich, und mir fiel es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen! Dennoch stellte sich mir eine Frage, und ich sprach sie laut aus:
»Wie heißt das siebte Buch?«
»Das ist das Buch der Chroniken, Sheriff!«
NEHEMIA
Ach, HERR, Gott des Himmels, du großer und furchtbarer Gott, der den Bund und die Gnade denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote bewahren!
1. Nehemia Kapitel 1 Vers 5
Ich saß wieder im Wagen und raste die Straße entlang, die zur Schranke nach Crimson führte. Was für ein Wahnsinn! Hieß es denn nicht, dass die Bewohner von New Rock diesen Weg meiden würden? Und was tat ich? Mir ging es fast schon nicht schnell genug, diesen Ort zu erreichen. Ich nutzte ihn als Fluchtpunkt, ja, als eine Art von Heimat, als würde ich mich dort sicher fühlen. Sicher? Direkt in die Arme der Amish zu rennen? Doch mir blieb wohl keine andere Wahl. Wenn ich nur daran dachte, auf welche groteske Art ich aus dem Zeitungsgebäude hatte fliehen können, als plötzlich Fender und einige zwielichtige Männer aufgetaucht waren und das Haus gestürmt hatten, bekam ich Höhenangst. Die beiden Russen und ich hatten uns im oberen Stockwerk aufgehalten und konnten gerade noch aus dem Fenster klettern.
Ich rieb mir mein rechtes Bein. Eine Schürfwunde verursachte dort Schmerzen. Ein ungeschickter Tritt hatte mich auf dem Dach abrutschen lassen, und wenn Babrow nicht gewesen wäre …
Dieser Typ war verdammt stark, hielt er doch mit seinem linken Arm meinen gesamten Körper fest, und zog mich letztendlich aufs Dach zurück. Diese Szenerie kam mir irgendwie bekannt vor, wenn ich an den Film »Commando« dachte, wobei ich die klägliche Rolle des Sully übernehmen musste!
Wie zum Teufel hatte Fender wissen können, dass ich mich im Zeitungsgebäude aufhielt? Vielleicht hatte er es bemerkt, während Elsa im Arpanet umherwühlte, oder steckte er ebenso in der ganzen Sache drin, die hier langsam, aber sicher außer Kontrolle geriet? Ich konnte beim besten Willen keine Erklärung hierfür finden.
Der Tag brach nun an, und ich hoffte, die »letzte Grenze« zu überqueren, bevor mich das Tageslicht verraten würde. Ich kam mir vor wie ein Vampir, dessen tödlicher Feind die Sonne war. Von dunklen Gedanken geplagt, schaute ich immer wieder in den Rückspiegel, um zu sehen, ob mich einer von Fenders Männern verfolgte. Gleichzeitig behielt ich die Umgebung im Auge. Möglich, dass sich Elsa hier irgendwo aufhielt.
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