Crisis
war unausweichlich. Er würde zum Schauplatz des Geschehens fahren müssen. Solche brisanten Fälle zogen unweigerlich politische Verwicklungen nach sich, und das war der Teil seines Berufs, den Jack hasste. Er hatte keine Ahnung, ob er es schaffen würde, zu Allen und Steve zu fahren und trotzdem noch um acht im Restaurant zu sein, was sein Unbehagen zusätzlich steigerte.
»Sind Sie noch da, Dr. Stapleton?«
»Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, schon«, erwiderte Jack.
»Ich dachte, wir wären vielleicht unterbrochen worden«, sagte Allen. »Wie auch immer, wir sind hier in den United Nations Towers an der 47th Street, Apartment 54-J.«
»Hat jemand die Leiche bewegt oder angefasst?« Jack zog seine braune Cordjacke an und klopfte dabei unbewusst sacht auf den viereckigen Gegenstand in seiner rechten Tasche.
»Ich und der forensische Ermittler nicht.«
»Was ist mit der Polizei?« Jack ging den Flur entlang auf die Fahrstühle zu. Der Gang war menschenleer.
»Ich glaube nicht, aber ich habe noch nicht gefragt.«
»Und was ist mit ihrem Mann oder Freund?«
»Da sollten Sie die Polizei fragen. Der zuständige Detective steht gerade neben mir und will mit Ihnen reden.«
»Dann geben Sie ihn mir!«
»Hey, Kumpel!«, dröhnte eine laute Stimme, die ihn zwang, das Handy vom Ohr wegzuhalten. »Schwing deinen Arsch hier rüber!«
Jack erkannte die raue Stimme von Detective Lieutenant Lou Soldano von der Mordkommission der New Yorker Polizei, mit dem er seit zehn Jahren befreundet war. Lou kannte er fast genauso lange wie Laurie. Sie war es gewesen, die sie einander vorgestellt hatte.
»Das hätte ich mir ja denken können, dass du dahintersteckst!«, beklagte sich Jack. »Ich hoffe, du hast nicht vergessen, dass wir um acht bei Elio’s sein sollen.«
»Hey, ich such die Termine für solchen Mist auch nicht aus. Wenn es passiert, dann passiert’s eben.«
»Was machst du überhaupt bei einem Selbstmord? Glaubt ihr etwa, es könnte etwas anderes sein?«
»Teufel noch mal, nein! Es ist eindeutig Selbstmord, mit einer Schusswunde durch eine aufgesetzte Waffe an der rechten Schläfe. Ich bin nur auf besonderen Wunsch meines geliebten Captains hier, in Anbetracht der beteiligten Personen und des Wirbels, den sie womöglich veranstalten könnten. Kommst du jetzt endlich, oder was?«
»Bin schon unterwegs. Ist die Leiche bewegt oder angefasst worden?«
»Nicht von uns.«
»Wer schreit denn da so im Hintergrund?«
»Das ist der Diplomat. Ihr Mann oder Freund, das haben wir noch nicht geklärt. Nur ein kleiner Wichtigtuer, aber ziemlich krakeelig, und wenn ich ihn so sehe, weiß ich den still vor sich hin trauernden Typ so langsam echt zu schätzen. Seit wir hier angekommen sind, brüllt er ununterbrochen und versucht uns herumzukommandieren, als wäre er Napoleon.«
»Was hat er denn für ein Problem?«, fragte Jack.
»Er will, dass wir seine nackte Frau oder Freundin zudecken, und ist stinksauer, weil wir darauf bestehen, nichts zu verändern, bis ihr euch den Schauplatz angesehen habt.«
»Moment mal!«, hakte Jack ein. »Willst du damit sagen, die Frau ist nackt?«
»Nackt wie ein neugeborenes Baby. Und das Beste ist, sie hat nicht mal Schamhaar. Die ist rasiert wie eine Billardkugel, und das …«
»Lou!«, unterbrach ihn Jack. »Das war kein Selbstmord!«
»Wie bitte?«, fragte Lou ungläubig. »Versuchst du mir gerade zu erzählen, du wüsstest, dass es sich hier um Mord handelt, ohne den Schauplatz überhaupt gesehen zu haben?«
»Ich werde mir den Schauplatz ja ansehen, aber genau das behaupte ich, es war kein Selbstmord. Gab es einen Abschiedsbrief?«
»Vermutlich, aber er ist auf Farsi. Darum weiß ich auch nicht, was drinsteht. Der Diplomat sagt, es wäre ein Abschiedsbrief.«
»Das war kein Selbstmord, Lou«, wiederholte Jack. Der Fahrstuhl kam. Er stieg ein, hielt die Tür aber noch offen. Er wollte nicht, dass die Verbindung abbrach. »Darauf wette ich sogar einen Fünfer. Ich habe noch nie von einem Fall gehört, bei dem eine Frau nackt Selbstmord begangen hätte. Das gibt es einfach nicht.«
»Du machst Witze!«
»Nein, mache ich nicht. Das ist einfach nicht die Art und Weise, wie Selbstmörderinnen gefunden werden wollen. Du solltest lieber deine Leute von der Spurensicherung rufen. Und dir ist sicher auch klar, dass dieser krakeelende Diplomatengatte, oder was auch immer er ist, damit zu deinem Hauptverdächtigen wird. Lass ihn nicht in die iranische Botschaft entwischen. Dann
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