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Crisis

Titel: Crisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Während er sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtete, zog er kurz in Erwägung, nicht Kunst, sondern Schauspiel zu studieren. Diese Vorstellung entlockte ihm ein Lächeln. Er wusste, dass seine Fantasie mit ihm durchging, und doch war der Gedanke nicht vollkommen abwegig. So gut, wie die Dinge im Moment für ihn liefen, musste er einfach das Gefühl haben, dass ihm die ganze Welt offenstand.
    Als Craig fertig angezogen war, sah er auf seinem Handy nach, ob jemand eine Mitteilung für ihn hinterlassen hatte. Niemand wollte etwas von ihm. Er wollte in seine Wohnung fahren, ungefähr eine Stunde mit einem Glas Wein und der neuesten Ausgabe des New England Journal of Medicine entspannen, danach einen Abstecher ins Museum der Schönen Künste machen, um sich die aktuelle Ausstellung anzusehen, und schließlich in einem neuen, trendigen Restaurant in Back Bay zu Abend essen.
    Leise vor sich hin pfeifend, ging Craig vom Umkleideraum hinaus in den Empfangsbereich des Clubs. Zu seiner Linken lag der Check-in-Schalter, während rechts von ihm ein Flur an den Aufzügen vorbei zur Bar und zum Restaurant führte. Aus dem allgemeinen Bereich war gedämpfte Musik zu hören. Zwar waren die Sportanlagen freitags nachmittags in der Regel nicht überlaufen, doch das traf nicht auf die Bar zu, an der sich die Gäste zur nahen Happy Hour trafen.
    Craig sah auf die Uhr. Das nannte er perfektes Timing. Es war Viertel vor fünf, genau die Zeit, für die er sich mit Leona verabredet hatte. Obwohl sie zusammen in den Club fuhren und ihn auch gemeinsam wieder verließen, ging jeder, solange sie dort waren, seiner eigenen Wege. Leona schwor im Moment auf die Stepper, Pilates und Yoga, was Craig nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinriss.
    Ein rascher Blick über die Tische und Stühle zeigte ihm, dass Leona noch nicht aus dem Damenbereich gekommen war. Craig war nicht überrascht. Neben einem gewissen Mangel an Zurückhaltung war Pünktlichkeit nicht gerade eine ihrer Stärken. Er setzte sich hin, vollauf damit zufrieden, das Kommen und Gehen der attraktiven Menschen zu beobachten. Noch vor sechs Monaten wäre er sich unter vergleichbaren Umständen wie ein Außenseiter vorgekommen. Jetzt fühlte er sich vollkommen wohl, doch kaum hatte er es sich bequem gemacht, als auch schon Leona durch die Tür zum Umkleideraum der Damen kam.
    Genau wie er sich selbst wenige Minuten zuvor kritisch begutachtet hatte, musterte er nun auch Leona mit einem raschen Blick. Das Training tat ihr ebenfalls gut, obwohl sie natürlich jünger war als er und über einen straffen Körper, rosige Wangen und wohlgeformte Rundungen verfügte. Als sie auf ihn zukam, bemerkte er wohlwollend, dass sie eine ebenso attraktive wie temperamentvolle und eigensinnige junge Frau war. Ihr größter Nachteil aus Craigs Sicht war ihr ausgeprägter Akzent und die Art zu sprechen, die deutlich ihre Herkunft aus Revere, Massachusetts, verrieten. Besonders nervtötend war ihre Neigung, alle Wörter auf »er« so auszusprechen, als endeten sie mit einem kurzen, scharfen »a«. Davon überzeugt, dass ihm nur an ihrem Wohl gelegen war, hatte Craig einmal versucht, ihre Aufmerksamkeit auf diese Angewohnheit zu lenken, weil er hoffte, sie so dazu zu bringen, sie zu ändern, aber sie war wütend geworden und hatte ihm giftig vorgeworfen, ein arroganter Harvard-Snob zu sein. Daraufhin hatte Craig klugerweise nachgegeben.
    Mit der Zeit hatte er sich ein wenig daran gewöhnt, und in der Hitze der Nacht war es ihm ohnehin egal, ob sie einen Akzent hatte oder nicht.
    »Wie war dein Training?«, fragte Craig und stand auf.
    »Herrlich«, antwortete Leona. »Noch besser als sonst.«
    Craig zuckte zusammen. Schon wieder dieses »a«. Auf dem Weg zum Aufzug unterdrückte er eine Bemerkung, indem er sie einfach ignorierte. Während sie weiter von ihrem Training schwärmte und sich darüber ausließ, warum er unbedingt sowohl Pilates als auch Yoga ausprobieren sollte, dachte er zufrieden an den bevorstehenden Abend und sann darüber nach, was für ein angenehmer Tag es doch bis dahin gewesen war. An diesem Morgen hatte er in seiner Praxis zwölf Patienten behandelt: nicht zu viele und nicht zu wenig. Es hatte kein hektisches Gerenne von einem Untersuchungsraum in den nächsten gegeben, wie es in seiner alten Praxis üblich gewesen war.
    Im Laufe der Monate hatten er und Marlene, seine matronenhafte Sekretärin und Rezeptionistin, ein System entwickelt, nach dem sie die Termine entsprechend

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