Cromwell, Bernard
Krieger an. »Geht und sagt
Lengar, dass Derrewyn gerächt ist«, befahl er ihnen. Er spuckte auf Jegars
Leiche.
Die Männer wichen zurück, und Saban bückte sich, um die
Lederschnüre zu lösen, die das Schwert an Jegars erschlaffter Hand festhielten.
»Wie lange werdet ihr in Sul bleiben?«, fragt er Lewydd, der den kurzen Kampf
über in Sabans Nähe geblieben war.
»Nicht lange«, meinte Lewydd. »Wir müssen zur
Sommersonnenwende zu Hause sein. Warum?«
»In vier Tagen komme ich hierher zurück«, erwiderte Saban,
»und ich möchte gerne mit euch wieder nach Sarmennyn reisen. Wartet auf mich.«
»Vier Tage«, sagte Lewydd, dann zuckte er zusammen, als
er sah, was Saban tat. »Wo gehst du hin?«, fragte er.
»Ich werde in vier Tagen zur Stelle sein«, wiederholte
Saban, mehr wollte er nicht sagen. Dann hob er sein Bündel auf und marschierte
hügelwärts.
Das Massaker in Sul hatte sein Ende gefunden.
12. KAPITEL
S aban war erschöpft, hungrig und
verwundet. Den größten Teil einer Nacht und eines Tages wanderte er nun schon,
indem er von Sul aus zuerst die östliche Richtung einschlug und dann einem
ausgetretenen Händlerpfad folgte, der nördlich durch die endlosen Wälder
führte. Jetzt, am zweiten Abend nach seinem Aufbruch aus Sul, kletterte er
einen langen, sanft ansteigenden, vor Zeiten gerodeten Hügel hinauf, obwohl
alles Getreide, das jemals an diesem Abhang gediehen haben musste, längst
verschwunden war, verdrängt von dichtem Farngestrüpp. Es gab keinerlei Schweine
- die einzigen Tiere, die Farnkraut fraßen - und auch keine anderen Lebewesen.
Selbst der Himmel war an diesem drückend schwülen Abend bar aller Vögel, und
als Saban stehen blieb, um zu horchen, konnte er nichts hören, nicht einmal das
Rascheln des Windes in dem Farngestrüpp - genauso still und leer wie jetzt
musste die Welt gewesen sein, bevor die Götter Tiere und Menschen erschaffen
hatten. Die Wolken über der tief am Himmel stehenden Sonne waren grauviolett
und aufgeplustert und tauchten alles Land hinter ihm in Schatten.
Saban hatte seinen Bogen, seinen Köcher und seinen Speer
bei Lewydd zurückgelassen; er trug nur Jegars blutbefleckte Tunika mit ihrem
schwer wiegenden Inhalt in Händen. Er war schmutzig, und sein Haar hing
strähnig herunter. Seit er Sul verlassen hatte, hatte er sich immer wieder
gefragt, warum er diese Reise eigentlich unternahm, und keine überzeugenden
Antworten gefunden, abgesehen von den Geboten der Pflicht und des Anstands. Er
trug eine Schuld, und das Leben war voller Schulden, die beglichen werden
mussten, wenn einem das Schicksal freundlich gesinnt sein sollte. Jeder wusste
das. Die Götter verhalfen einem Fischer zu einem guten Fang, folglich musste er
ihnen etwas dafür zurückgeben. Eine Ernte war üppig, deshalb galt es, einen
Teil davon den Göttern zu opfern. Eine Gefälligkeit zog die andere nach sich,
und ein Fluch war für den Menschen, der ihn aussprach, ebenso gefährlich wie
für die Person, gegen die er sich richtete. Jede gute und jede schlechte Sache
auf der Welt war ausgewogen, weshalb die Leute auch so sehr auf Omen achteten -
obwohl einige Männer, wie zum Beispiel Lengar, sich nicht im Geringsten um das
Gleichgewicht der Dinge scherten. Die häuften einfach Böses auf Böses und
trotzten auf diese Weise den Göttern, aber Saban fühlte sich nicht so
unbekümmert. Es machte ihm Sorgen, dass ein Teil seines Lebens aus dem
Gleichgewicht geraten war; deshalb hatte er diesen weiten Weg zu dem mit
Farngestrüpp überwucherten Hügel auf sich genommen, wo sich nichts regte und
kein Laut zu hören war. Auf dem Kamm des Hügels erstreckten sich weitere
Wälder, und Saban fürchtete sich davor, in ihren dunkler werdenden Schatten zu
wandern, als sich die Abenddämmerung herabsenkte; seine Furcht verstärkte sich
sogar noch, als er die hohen Bäume erreichte; dort, am Rand des Waldes und, wie
Wächter zu beiden Seiten des Weges aufragend, steckten zwei dünne Stangen mit
aufgespießten menschlichen Köpfen.
Inzwischen waren es bloß noch Totenschädel, weil die Vögel
die Augen und alles Fleisch weggepickt hatten, obwohl an einem der Schädel
noch immer Reste von Haar an der gelblich verfärbten, pergamentartigen Kopfhaut
haftete. Die leeren Augenhöhlen starrten in düsterer Warnung den Hügel hinunter.
Kehr sofort um, sagten sie, kehr rasch wieder um und geh! Saban marschierte
weiter.
Unterwegs sang er mit lauter Stimme. Er hatte zwar kaum
noch Atem übrig, aber er
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