Cromwell, Bernard
Tempel
hinweg zu den südlichen Grabhügeln, die sich dicht an dicht auf der Kuppe der
Erhebung drängten. Darunter lagen neue Grabhügel, ihre Kreideflanken weiß in
der Sonne, und er nahm an, in einem dieser neueren Gräber ruhte sein Vater. »Wo
ist Camaban jetzt?«, wollte er von Galeth wissen.
»Wir haben ihn den ganzen Sommer über nicht gesehen«, gab
der alte Mann Auskunft.
»Er wollte, dass ich herkomme, um den Tempel fertig zu
stellen«, erklärte Saban.
»Nein!«, erwiderte Galeth hitzig. »Du musst weg, Saban.
Nimm deine Ehefrau und geh!« Er wandte sich an Aurenna. »Lass nicht zu, dass er
hier bleibt! Ich bitte dich inständig darum!«
Aurenna lächelte. »Wir sollen aber in Ratharryn sein.
Erek« - sie korrigierte sich - »Slaol will, dass wir hier sind.«
»Camaban hat darauf bestanden, dass wir herkommen«, fügte
Saban hinzu.
»Aber Camaban ist nicht mehr da«, drängte Galeth. »Er ist
schon seit vier Monden fort. Ihr solltet ihm folgen.«
»Wohin?«, fragte Saban. Er führte Aurenna um den Tempel
herum, vorbei an dem niedrigen Wall, der außerhalb des Ringgrabens lag, bis er
zu der Stelle kam, wo er an jenem weit zurückliegenden Tag nach seinen
Mannbarkeitsprüfungen mit Derrewyn in dem hohen Gras gegessen hatte. Sie hatte
eine Kette aus Gänseblümchen geflochten, wie er sich erinnerte, und plötzlich
wurde er von einer tiefen Traurigkeit überwältigt - denn es schien, dass sie
fünf Jahre hart gearbeitet hatten, und zwar für nichts und wieder nichts. Der
Tempel war versetzt worden, aber Slaol würde niemals von diesen kleinen Steinen
angezogen werden. Die meisten waren nur knapp so hoch wie ein Kind! Der Tempel
sollte den Gott zur Erde zurückbringen - doch über dieses lächerliche Gebilde
würde Slaols Blick so desinteressiert hinwegschweifen wie der Blick eines
Habichts über eine Ameise. Kein Wunder, dachte Saban, dass Camaban sich
davongemacht hatte, denn all ihre mühevolle Arbeit war umsonst gewesen.
»Vielleicht sollten wir tatsächlich wieder nach Hause gehen«, sagte er zu
Aurenna.
»Aber Camaban hat darauf bestanden, dass .«, begann sie.
»Camaban ist wieder gegangen!«, erwiderte Saban schroff.
»Er ist fortgegangen, und wenn er nicht mehr hier ist, brauchen wir auch nicht
zu bleiben. Wir werden nach Sarmennyn zurückkehren.« Die Musik von Sarmennyn
war inzwischen auch seine Musik geworden, die Geschichten von Sarmennyns
Stämmen seine Geschichten, die Sprache von Sarmennyn seine Sprache - er
verspürte keinerlei Verwandtschaft mehr mit diesem furchterfüllten Ort und
seinem schäbigen Tempel. Er wandte sich ab und ging zu dem Sonnenstein, wo Kereval
stand. »Mit deiner Erlaubnis«, sagte Saban zu dem Clanführer, »würde ich gerne
mit dir nach Hause zurückkehren.«
»Ich wäre traurig, wenn du das nicht tätest«, bekannte
Kereval lächelnd. Der Clanführer war jetzt weißhaarig und gebeugt; aber er
hatte lange genug gelebt, um seine Abmachung erfüllt zu sehen - deshalb war er
glücklich.
Scathel mischte sich ein: »Aber wir gehen nicht eher
zurück, bis wir das Gold und die anderen Schätze wiederhaben.«
»Mein Bruder weiß das«, winkte Saban ab, und genau in dem
Moment ließ ihn ein warnender Ausruf herumfahren; sechs Reiter waren zwischen
den Grabhügeln im Süden aufgetaucht. Alle trugen Speere und die kurzen Bögen
der Fremdländischen über den Schultern, und alle sechs waren Krieger aus
Sarmennyn, die vor langer Zeit in Ratharryn einrückten, um Lengar dabei zu
helfen, die Clanführerswürde an sich zu reißen. Ihr Anführer war Vakkal, dessen
Gesicht noch immer die grauen Aschetätowierungen von Sarmennyn aufwies, auf
dessen Armen jetzt jedoch die blauen Tätowierungen von Ratharryn prangten. Er
war ein großer Mann mit einem harten, kantigen Gesicht und einem kurzen
schwarzen Bart, der wie das Fell eines Dachses von einem weißen Streifen
durchzogen war. Er trug ein Lederhemd, gepanzert mit Bronzestreifen, hatte ein
Bronzeschwert an der Hüfte, und seine langen geflochtenen Haare waren mit Fuchsschwänzen
geschmückt. Er saß ab, kam auf Kereval zu, dann kniete er in einer Geste der
Ergebenheit vor dem Clanführer nieder.
»Lengar lässt euch grüßen«, sagte Vakkal.
»Er folgt euch?«, fragte Kereval.
»Morgen wird er eintreffen«, erwiderte Vakkal und trat
dann zur Seite, als seine fünf fremdländischen Krieger kamen, um ihren Clanführer
zu begrüßen. Saban sah, wie die Leute von Ratharryn den Kriegern Platz machten,
sah, wie sie hastig
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